Kampanien – Golf von Sorrent – Neapel

 

 

 

Einmal im Jahr ist es so weit. Die Vorfreude auf die „Studienreise“, das Wiedersehen der „Box“ in einer europäischen Stadt steht an. Letztes Jahr in Split kamen Warmziele, unter anderem Neapel, in den Blick. Als ich im frühen Herbst dann das unschlagbar günstige Angebot eines bed and breakfasts im Zentrum Neapels fand, stand das Ziel fest. Der Flug in den Süden mit Easyjet war ereignislos, am Flughafen, den wir mit leichter Verspätung erreichten, wartete Corinna schon auf mich und mit dem Alibus (Flughafenbus) fuhren wir für 5€ nach Downtown. Wir stiegen am Hafen – Molo Beverello – aus und befanden uns in einer Baustelle nicht unbeträchtlichen Ausmaßes. Nach 15 Minuten Fußweg, hätten wir das Ziel gleich gefunden, wären es nur 10 gewesen, standen wir in einer Seitenstraße vor einer unscheinbaren Tür unter einem kleinen Balkon, rechts der Tür wurden wir darauf verwiesen, zu klingeln. Mit Marilena führte ich schon Emailkonversation und nach einigen Erklärungen zeigte sie uns die netten Zimmer. Schlicht, dennoch stylisch mit allem, was man braucht. Elena, die Dritte im diesjährigen Bunde, traf kurz nach uns ein. Obwohl ich die Unterkunft mit Bedacht gewählt hatte, erwies sie sich als Glückstreffer hinsichtlich der Lage. Zentraler konnten wir nicht wohnen. Die Spaccanapoli, die Hauptstraße in der dunklen Altstadt Neapels mit ihren hohen Häuserzeilen und engen Gassen, begann gerade um die Ecke, keine 2 Minuten Fußweg entfernt. Insbesondere mit Blick auf das Wetter der ersten Tage – REGEN! – kann ich diesen Umstand gar nicht genug Wert schätzen, wir wären in kurzer Zeit wieder im Quartier gewesen, theoretisch.

 

Natürlich waren wir nur unterwegs, so wie wir uns kennen. Zuerst muss ich Daniela, meiner vielreisenden Kollegin absolut recht geben: Neapel hat so viel zu bieten, Ausflüge in die Umgebung braucht man eigentlich nicht. Der Besuch des Vesuvs, geplant am 2. Tag, fiel aus wegen Schlechtwetter. Wir hatten Kampanien bei maximal 12°C, teilweise 5°C erlebt. Heizung im b&b gab es nicht, dafür eine heiße Dusche und warme Bettdecken. Das Bett war an sich der einzige Ort, an dem man sich aufwärmen konnte. Die Restaurants sind ebenfalls nicht beheizt, die Türen der Geschäfte stehen weit auf, um Kunden heranzulocken, was ebenfalls zu einer Abkühlung führt. Es war einfach kalt. Und an den ersten 1,5 Tagen auch noch nass, von oben. Eine wenig erfreuliche Kombination. So blieben wir in Neapel und ich stellte fest, dass man für wirklich kleines Geld dort super essen kann. Sind die Touristenhotspots wie Sorrent oder Capri sauteuer, ist es in Neapel, selbst in der Fressstraße, echt bezahlbar. Eine schmackhafte Pizza samt Getränk kann man ohne Probleme für 6 – 7 € erstehen. Pizza ist sowieso ein gutes Stichwort: der Napolitaner frittiert gern, auch die Pizza. Und so hat die Pizza fritta ein sonderbares Aussehen, wie eine überdimensionierte Krokette garniert mit Pizzasauce und ein oder zwei Pizzaauflagen. Schmecken tut sie aber, was auch am überall reichlich verwendeten Ricotta liegt, der in der Stufe „gschmackig“ also nicht fettreduziert verwendet wird. Der wird auch in der sehr leckeren Sfogliatelle eingearbeitet. Mit Orangenlikör und Zucker ergibt er ein von Blätterteig umhülltes schmackhaftes Teilchen, das wohl Jahre auf der Hüfte bleibt. Elena war auch sehr für die Arancini zu begeistern, Granatsplittern gleichende herzhafte und natürlich frittierte Snacks. Grundlage bildet Reis, vermengt mit allerlei Zutaten, die Wohlgeschmack liefern.

 

Ach ja – ich wollte ja etwas zum Programm schreiben. Wir haben uns zuerst eine Artecard gekauft. Für 31€ fährt man damit 3 Tage kostenlos mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln, kann 2 Sehenswürdigkeiten kostenlos und alle weiteren zum halben Preis nutzen. Um uns einen Überblick über die Stadt, die an den Ausläufern des Vesuvs gelegen und wirklich hügelig ist, zu verschaffen, haben wir eine Standseilbahn auf den Montecalvario genommen. Noch ohne Mütze trotzten wir dem kalten Wind, ich setze die mitgebrachte und von Corinna höchstselbst gestrickte Mütze auf, die Mädels kauften sodann 2 Mützen (später auch Handschuhe) und so waren wir für den Ausflug in den Winter gewappnet. Die Aussicht war grandios. Nach der ersten tollen Pizza bei Mazza in der Fressgasse – ich hatte die Hauspizza mit Pistaziencreme, Mortadella und weiteren Pistazien oben drauf – absolut super, ging es ins unterirdische Neapel. Ein riesiges Labyrinth kann dort entdeckt werden. Dies diente einst als Wasserreservoire der Stadt, wurde nach einer Choleraepidemie aufgegeben, als Mülllagerplatz missbraucht, bis der Müll verfestigt wurde, mit Beton überbaut und dann bspw. Schutzzwecken während des zweiten Weltkriegs diente. Mehrsprachig wurden Gruppen in hoher Taktfolge geführt, aber eine sehr gut englisch sprechende Führerin machte den Ausflug in die Unterwelt, hier war es trocken und mit 12°C warm!, sehr interessant. Platzangst darf man für die Führung allerdings nicht haben, man läuft enge, teils auch dunkle Gänge entlang.

 

Ich stelle eine gewisse Detailverliebtheit des Autors fest, ich kürze mal ab. Am 3. Tag ging es nach Pompeji – absolut sehenswert, trotz alter Mauern. Die Mädels haben eine zweistündige Führung mitgemacht, ich war vorbereitet und lies die Ausgrabungsstätte allein auf mich wirken. Es waren schon ordentlich Menschen da, aber ich fand auch ruhige Ecken. Im Haus das tanzenden Fauns, dem berühmtesten Haus Pompejis, wurde es dann wieder eng und die Villa Misteri, mit den sehr gut erhaltenen Wandfresken, waren die kunsthistorischen Highlights für mich. Mit einer brechend vollen S-Bahn fährt man ca. eine halbe Stunde von Neapel nach Pompeji Scavi, weitere 30 Minuten dauert es nach Sorrent. Der mondäne Badeort an der Steilküste konnte irgendwie nicht unser Herz erwärmen, zweifelsohne ist die Lage spektakulär. Capri am dritten Tag war da schon sehenswerter, auch wenn der Reiseführer Capri (Stadt) sehr lobte und das etwas unscheinbarere Anacapri weniger gut wegkommen lies. Für uns war Anacapri eher beeindruckend, was vielleicht daran lag, dass es dort nicht ganz so überlaufen war, wir bei fantastischem Wetter mit einem Sessellift auf den Monte Solaro gefahren sind, der ca. 600 m hoch ist und einen wirklich beeindruckenden Blick über den Golf von Sorrent freigibt. Die blaue Grotte hat uns nicht gesehen, der Tag war voll und für Capri muss man echt beachten, dass diese Insel ein mindestens mittleres Verkehrsproblem hat. In völlig überfüllten Minibussen, auf die man ewig wartet, muss man sich von Ort zu Ort quälen, jeder Abschnitt kostet 2,50€. Die Busse fuhren, zumindest zu unserem Besuch, viertelstündlich, teilweise hätte man jedoch auf 3 Busse warten müssen, um überhaupt mitzukommen. Taxis sind eine nicht ganz preiswerte Alternative zum Bus, wenn man sich zusammen tut – auf der Fahrt vom Fähranleger nach Anacapri waren wir 7 Personen – ist es aber bezahlbar, man hat einen definitiven Sitzplatz, nicht die Ellenbogen von 5 Mitreisenden im völlig überfüllten (Klein)bus, der 20 Personen Platz bietet aber 35 transportiert, im Gesicht.

 

Vielleicht noch ein paar kulinarische Erinnerungen: die italienische Küche der Trattorien zeichnet sich durch Einfachheit gepaart mit Raffinesse aus. Pasta e fagioli (Pasta mit weißen Bohnen) kenne ich schon, koche ich auch regelmäßig, pasta e patate (Pata mit Kartoffeln) war eine interessante und denkbar schmackhafte Variante. Zuppa anglese konnte mich wieder nicht überzeugen. Hierbei handelt es sich um ein dem Tiramisu ähnliche Dessert. Den Marsala ersetzt man durch einen Likör (in Kampanien wohl meist Limoncello), die Creme schmeckt stärker nach Vanille und man arbeitet auch noch Trockenfrüchte unter, was in unserem Fall Amarenakirschen waren, also die Trockenfrüchte, die ich noch am ehesten mag. 😉 Frittierte Kürbis- bzw. Zucchiniblüten, die mit Ricotta und Salamistücken gefüllt waren, behalte ich in bester Erinnerung. Und auch die Melanzani, pardon Auberginen in einer Tomatensauce mit reichlich Parmesan waren ausgezeichnet. Beim Wein gabs häuftig Faranghina, einen lokalen weißen, der süffig war.

 

 

 

Die Rückfahrt verläuft nicht direkt, sondern mit Zwischenstopp in Innsbruck. Dazu sitze ich im Frecciarossa nach Milano Centrale – die italienische Sprache hat diesen tollen Singsang, ich freue mich jedes Mal, wenn das Ziel wieder angesagt wird, und sause durch die Landschaft, superpünktlich. Die Frecce fahren am Sonntagmorgen im 10 Minutentakt ab, ich musste in der Tat aufpassen, in den richtigen einzusteigen, für kleines Geld gibt’s auch in Italien Zugbindung und ein online Ticket weit im Voraus. Die Fahrt bis zum Endziel dauert von Neapel 4.15 h, das nenn ich einen Hochgeschwindigkeitszug. Hinterm Vesuv geht gerade die Sonne auf, ein italienisches Kind plärrt 2 Reihen hinter mir. Ich wollte unbedingt mal Italien – wie Goethe – auf den Landweg erreichen. Und da sich der Hinweg nicht anbot, entschied ich mich, Deutschland von Italien aus auf dem Landweg zu erreichen. Die insgesamt 16 h Fahrt ließen meinen Mut, dieses Projekt anzugehen, schwinden. Doch mit Zwischenstopp in Innsbruck und 8 bzw. 7 h Fahrtdauer, erschien mir das Vorhaben realisierbar. Bahnfahren in Italien finde ich großartig. Wie im Bologna-Teil schon beschrieben, sind die Fahrkartenautomaten polyglott und einfach zu bedienen, die Züge superpünktlich und der Komfort sehr gut. (Die Familie mit dem nicht mehr plärrenden Kind steigt in Rom aus – yeah!). Die Landschaft Kampaniens zieht am Zugfenster vorbei, die Bäume sind noch nicht grün, außer den Pinien, teils riesige graue Gemüsefelder sind zu sehen, die grünen Felder sind von gelben Raps übersäht. Im Hintergrund sieht man, wie bergig Italien ist, wie auf dem Vesuv tragen die hohen Berge des Appenins Schnee. Ein netter Schaffner kommt, setzt die Familie in einen anderen Wagen, wo mehr Platz ist, um. Nun gehört der Großraumwagen mir und einem italienischen Pärchen. Man bekommt im premium-Bereich der 2. Klasse sogar kleine Snacks und ein Wasser auf Kosten von Trenitalia serviert. Der erste Teil der Zugreise bis Bologna war ausgesprochen angenehm, auch wenn ich viel unter Tage war. Der Umstieg war gar nicht so schnell, wie gedacht. Die Frecce fahren vom Untergeschoss in Bologna. Ich konnte mich schon bei Einfahrt in den Bahnhof nicht erinnern, dass dieser unterirdisch ist. Alle „normalen“ Züge fahren auch oberirdisch, ganz so, wie ich das von der Emiglia-Romana-Reise kannte. Nun freue ich mich auf eine landschaftlich interessante Reise über den Brenner mit viel Panorama, auch wenn das Wetter hier leider weniger gut ist, als es im Süden war.