Schlange stehen

 

Gestern habe ich nichts aufgeschrieben, der Tag war zu lang und zu ereignisreich. Das hole ich heute am Kathmandu-Airport nach. Hatte ich zu Beginn über den Flughafen Berlin-Tegel nicht geschrieben, dass ich ihn nicht so sehr mag und lange beim Boarden anstand? Ich hatte vergessen, wie chaotisch Flughäfen in Entwicklungsländern sein können. Ich habe nach der 5. Schlange, in die ich mich einreihte, aufgehört zu zählen. Mein Fahrer zum Flughafen kam mit nepalesischer Gelassenheit 20 Minuten verspätet am Hotel an, aber ich kenne zum einen den Verkehr in Kathamandu (nur Hanoi muss noch chaotischer sein, aber das will ich in den nächsten Monaten nicht ausprobieren und lasse mir lieber von Marten erzählen, dass es so ist).

Reisetage sind ja eher langweilig, aber man kann prima beobachten. Wie der Brite, der hinter mir in der letzten Schlange stand den Inder freundlich aber SEHR bestimmt darauf hinweist, wo die cue-line ist. Herrlich!

Gestern war ein extrem ereignisreicher Tag. Los ging es in Pokhara, dann ein Flug nach Kathmandu (ich saß links im Flieger und habe die Himalayakette gesehen und fotografiert!), der 10 Minuten VOR der Zeit startete. Unglaublich für Nepal, ich wurde schon langsam wieder europäisiert. Da die Zimmer im Hotel noch nicht fertig waren, gab es gleich nach der Ankuft Pashupathinat. Das war mein Highlight der Reise, was die Kultur anging, ich hatte ziemlich hohe Erwartungen an diesen Hindu-Tempel. Sie wurden nicht enttäuscht.

Ich bin ja noch so ein Auslaufmodell an Reisendem, der versucht, die Kultur eines fremden Landes zu beobachten, zu verstehen aber v.a. zu respektieren. Dazu gehört für mich, dass ich in südeuropäischen Kirchen lange Hosen trage, nicht dier Altarräume betrete, nackte Haut in islamischen Ländern versuche so gut wie möglich zu vermeiden und v.a. nicht auf alles mit der Linse meiner Kamera draufhalte, was sich als Fotomotiv bietet. Wie gesagt, ich bin ein Auslaufmodell. Als wir am Shiva-Tempel, dem wichtigsten Heiligtum der Hindus in Nepal ankamen, musste wir erstmal die looky-looky Meile von meiner Meinung nach chinesischen Verkäufern hinter uns bringen. Das gelang mir, wie ich fand, am besten. Hut tief ins Gesicht, Sonnenbrille auf, nur auch nicht Ansatzweise in die Richtung der Verkaufsstände schauen und mit einem wirklich unfreundlichen „no“ die Quälgeister auf Abstand halten. Und dann gings los: Müll, Qualm, unzählige Tagetesblüten, die den Fluss orange färbten und die brennenden Leichen. Alle Indienreisenden werden mich belächeln, da ist der Tod ja noch unmittelbarer zu erleben, aber auch Pashupathinat hat viel zu bieten. Binnen 5 Sekunden waren diverse Teleobjektive auf die am anderen Flussufer, also 10 Meter entfernten, Scheiterhaufen gerichtet. Auch wenn die Nepali sagen, dass die Leichenverbrennungen öffentlich sind und sie die Anwesenheit von Touristen nicht stört, muss man m.E. nicht alles auf Bild festhalten. Oder zumindest aus einer Entfernung, die diesem heiligen Ort angemessen erscheint. Egal, die Leichenzeremonie hier zu beschreiben, ist schwierig, ich empfehle nochmals „Rot – Menschen in Kathmandu“ von Milda Drüke, sie erklärt es gut und nicht vordergründig sensationsgeil, sondern im Kontext, immer dann, wenn es passt, stückchenweise, so dass wir Westeuropäer das auch verstehen.

Was blieb also hängen von Pashupathinat? Das Klagegeschrei der Witwen, der Geruch nach gegrilltem Fleisch, die Würde, mit der der älteste Sohn der Familie mit nacktem Oberkörper, seine heilige Schnur präsentierend den brennenden Holzscheid seinem Vater in den Mund legt und die unzähligen roten Saris der verheirateten Frauen, wir hatten Glück, auf eine Menge Einheimische zu treffen, denn Montag wird Shiva verehrt, Dienstag Kalí.

Danach ging es nach Bodenath. Ich hatte mich darauf überhaupt nicht vorbereitet. Aber manchmal ist eine Gewisse Naivität beim Reisen von Vorteil, dann nimmt man die Eindrücke unmittelbarer auf. In Bodenath gibt es die zweitgrößte Stupa der Welt. Wir waren in einem völlig anderen Kosmos, tibetische Buddhisten umrundeten dieses Heiligtum, Gebetsmühlen wurden gedreht, eine unglaubliche Ruhe strahlte dieser Ort aus. Die deutschen Touristen leisteten sich ein Mittagessen auf einer der Dachterassen rund um den Platz, mit einer fantastischen Aussicht und leckeren Momos (nepalesische Maultaschen).

Die Fahrt von Pashupathinat nach Bodenath war ebenso ein Erlebnis. Die Fahrten am Beginn der Reise in Kathmandu waren eher kurz und führten über die Ring-Road, die zwar auch voll bis verstopft sein kann, jedoch nicht das gleiche Erlebnis bietet, wie die Ausfallstraßen. Das haben wir nachgeholt, für 4 km brauchten wir 45 Minuten, inklusive dreier Beinah-Zusammenstöße und unzähliger Mopeds. Und wie gesagt: der Nepali an sich hupt, was wohl der Sicherheit dienst, denn trotz des Chaos gibt es kaum Unfälle in Nepal.

Highlight des Tages war dann aber der check-in im Dwarikas. Ich wurde upgegradet. Auf dem Weg zu meinem Zimmer, das abseits von den Zimmern der restlichen Gruppe lag, meinte der Houseboy, dass ich mein eigenes Haus bewohnen werde. Erst dachte ich, ich verstand ihn nicht, obwohl sein Englisch ziemlich gut war, doch dann konnte ich mit eigenen Augen sehen, das er genau das meinte, was er gesagt hatte. Wow, mein Highlight waren bis jetzt Hotels in Sevilla und auf Teneriffa, doch dieses Zimmer, perdon diese Suite. Über 2 Ebenen, Wohnzimmer mit Parkett, Schlafzimmer mit Steinboden, das ins Bad überging, das diesmal allerdings nicht mit Messingklangschalenwaschbecken aufwarten konnte, diesmal waren sie tönern. Eine weitere Tür trennte das Badezimmer, was den Namen wirklich verdient hat ab, es gab sozusagen ein Vorzimmer zum Badezimmer. Schade, dass ich nur eine Nacht dort verbringen konnte. Nächstes Highlight: das Abschiedsessen. Im nepalischen Restaurant vom Dwarikas. Das war fast n bissl to much. Nachdem wir die Schuhe auszogen, wurden uns die Hände gewaschen, dann gingen wir zu unserem Tisch, an dem wir auf niedrigen Hockern saßen, was sich nach anfänglichen Schwierigkeiten doch als recht bequem heraus stellte. Und dann kamen sechs Gänge Herausforderung. Alle typisch nepalesisch, alle sehr schmackhaft und sehr, sehr ansprechend serviert. So viel Service-Personal, so viel Aufmerksamkeit. Die Kellnerinnen trugen Trachten der verschiedenen Einwohnergruppen Nepals, die uns von Mukunda, unserem Guide erklärt wurden. Von dem mussten wir uns beim Abschiedsessen, wie es der Name schon sagt, verabschieden, das fiel beiden Seiten ganz schön schwer. Nepali sind wirklich extrem gastfreundlich, hilfsbereit und nett. Die ganze Zeit über wurde uns bewusst, dass sich alle freuen würden, uns bald wieder zu sehen. Und wie macht man Asiaten klar, dass das eine wunderschöne Reise war, die Welt aber doch noch so groß ist und wir ganz sicher mal wieder kommen, jedoch nicht im nächsten Jahr?!?