Wie ein Mallorca-Reisender beim ersten Mal oder der Prolog über den Wolken unter Rumeinfluss
Also, ich bekenne, auch erfahrenden Vielreisenden können wirklich, wirklich dumme Fehler passieren. So geschehen heute, eigentlich im Februar, als ich das Visum für Australien beantragt habe. Ich habe ein L aus meiner alphanummerischen Passnummer vergessen. Das fiel erst beim Check-in auf, nicht mir, aber der aufmerksamen Dame am Check-in. 30 Minuten hat eine weitere ausgesprochen nette Dame asiatischer Herkunft von China Airlines mit Officer Mike in Australien telefoniert, dann war das Problem vorerst gelöst. Ich hätte mich in den Arsch beißen können. Ich kontrolliere so was drei, vier ja ggf. auch zehn Mal, aber der Fehler fiel mit nicht auf. Naja, nochmal gut gegangen. Ich war peinlich berührt, habe mich zig-Mal entschuldigt, denn schließlich beschäftigte ich eine Kraft am Check-in für 30 Minuten allein. Die meinte, dass sie dankbar sei, denn so müsse sie ja weniger arbeiten.
Eigentlich wollte ich die Neuseelandreise ja von Prag aus antreten mit Singapore Airlines. Dann gab es dieses super-Angebot mit China Airlines von Paris aus. Und als der Flug von Paris storniert wurde, bin ich schließlich in Frankfurt „gelandet“. Zum gleichen sensationellen Preis in C-Class!!!
Ich bekenne, dass ich meinen Eltern sehr dankbar bin. Dafür, dass sie aus mir einen weltoffenen Erdenmenschen gemacht haben oder noch viel mehr, dass Mittelmaß nie das Ziel sein konnte. Nicht wahr, Mama? Die Pudding-Fabrik bei Dr. Oetker, das worst-case-scenario in unserer Familie, ist an meiner Schwester und mir vorbei gegangen. So reise ich um die Welt und wenn es wirklich weit weg geht, kann ich mir ohne drüber nachzudenken ein C-Ticket leisten. Vor den 24 Stunden in 11 km Höhe hatte ich gehörig Respekt, aber hier über dem Balkan, irgendwo zwischen Trogir und Athen (beides wunderschöne Orte, die ich schon bereits habe, Athen ist in 6 Monaten mit meinen Freunden aus Schwerin dran – darauf freue ich mich auch) finde ich es gerade sehr nett im Flieger. Die Business-Class ist bis auf den letzten Platz belegt, die Premium economy fast leer und die economy gut gefällt. Das wohlige Gefühl mag daran liegen, dass die nette Stewardess aus Taiwan es wirklich, wirklich, wirklich gut mit mir meint. Ich habe einen Bacardi-Rum als Absacker bestellt und sie kommt mit einem Wasserglas voll Rum hier an. 😉 Hieße ich Doreen, würde ich nach Khalil rufen. Gott, ist diese Kuba-Reise lang her!!! Ich vermute mal, ich schlafe gleich super! Dass sie, die Stewardess, mich mit Namen anspricht, ist auch sehr aufmerksam. Außer meinem Kollegen, Herrn Teichert, nennt mich wohl niemand Mr. Franky. Oh, dieser süße asiatische Akzent.
Ich bekenne weiterhin, dass ich Fernreisen wirklich liebe. Ich reise so viel in Europa, aber es ist nicht das gleiche. Mich zieht es in die Ferne, auch wenn ich um meinen ökologischen Fußabdruck weiß. Dabei fehlt mir seit Monaten das Reisen mit Doreen (honey, und dieses statement ist nicht dem Rum geschuldet, spricht mit Mr. H., das muss sich wieder ändern!!!) und Mareike kann gar nicht erahnen, wie sehr ich mich freue, dass wir beide diese Neuseelandtour individuell machen! Ich bin ein Planer und ein Individualist. 10 Monate haben wir Hirnschmalz und Herzschmerz in diese Tour gesteckt und auch wenn ich wieder mal an einen der regenreichsten Orte dieser Erde fahre, bin ich mir sicher: es wird toll werden. Sollte jemand in meinem Freundeskreis also Südamerika, insbesondere Peru und/oder Kolumbien, Südafrika oder Hawaii bzw. Alaska bereisen wollen, meldet euch!!!
Bevor ich in Sydney ankomme, habe ich einen Tag Taipeh ganz für mich allein. Ich habe ganz kleine Ziele: ich möchte eine Nudelsuppe essen und einen Tempel - Longshan-Temple - sehen. Dieser Minimalismus ist Hiltrud geschuldet, die mich immer wieder „erdet“. Ich werde mich anstrengen, dass wir uns dieses Jahr wenigstens mal sehen und nicht nur mailen, versprochen!!! Man muss auf einer Reise nicht 100 Highlights aneinandergereiht haben, sondern die Orte, die man besucht hat, auch wirklich gesehen haben. Je älter ich werde und je länger ich reise, desto mehr wird mir das bewusst. Ich werde versuchen, diese Erkenntnis in Sydney, wo ich Mareike treffe, zu bewahren. Man neigt dazu, sehr viel ins Programm einzubauen. Gerade an weit entfernten Orten, wo die Chance hoch ist, nicht wieder hin zu kommen.
Der Start in die Reise verlief super. Ich bin auf die Minute pünktlich mit dem Zug in Heidesheim angekommen, hatte einen super tollen Abend bei Corinna (danke!!!), habe viel über Mushing in Skandinavien erfahren (schwedische Huskys scheinen nicht so zu müffeln wie norwegische, oder die Wiener Nase ist einfach empfindlicher *lol*) und nun geht es 13 Stunden nach Osten. Nach Sydney geht es für uns auf die Südinsel Neuseeelands. Highlights sind neben der Tour im Mietwagen sicherlich Doubtful-Sound und der Milford-Track – the finest walk in the world. Danach 1 Woche Campervan auf der Nordinsel. Auf 4.5 spannende Wochen!!! (Das Rumglas ist nun halbleer, gute Nacht!!! 😉)
Taipeh
Die Einreiseprozedur hat in Taipeh genau 1,5 Minuten gedauert. Das war was effizient: einmal in die Webcam lächeln und beide Zeigefinger scannen. Wir sind verspätet gelandet, der pakistanische Luftraum wird offenbar immer noch gemieden. Ist mir Recht, lieber sicher am Ziel als sorry. So wurde der 12 Stundenflug zu einem 13 Stundenflug. 8 Uhr saß ich bereits in der Bahn nach Taipeh. Taipeh hat wie viele Metropolen eine Nahverkehr-Karte, die heißt hier easycard. Eine Weiterentwicklung stellt der i-pass dar, den ich käuflich erwarb. Statt einer Karte gibt es einen Anhänger in den schlimmsten Komik-Figuren, die man sich nur vorstellen kann. Ich habe mich für ein Lebkuchen-Männchen mit Zuckerstange entschieden. Dieses Lebkuchenmännchen halte ich bei jeder Zugfahrt vor einen Sensor, dann öffnet sich, wie von Zauberhand des Drehkreuz. Beim Verlassen eines Bahnhofs das ganz in grün, Sehr effizient und man braucht kein Bargeld. Apropos: der Stopover in Taipeh verlief bargeldlos. Nur die Kreditkarte brauche ich dreimal, aber sie ist weit vom Glühen entfernt.
Taipeh: so eine leicht zu bereisende Metropole hatte ich noch nicht. Bangkok ist chaotischer, weil das Schienennetz dort nicht so gut ausgebaut ist, Hongkong hat mehr Verkehrsmittel, die man kombinieren muss. In Taipeh kommt man an alle touristische Flecken, zumindest die, die ich in acht Stunden erreichen wollte und konnte, mit der Metro hin. Warum der Herr Boller Vorbehalte vor dieser Stadt hat, habe ich nie verstanden und mein erster Aufenthalt hier liefert auch keine Argumente. Die Stimmung ist schwer zu beschreiben. Definitiv Asien, aber eine Mischung aus China, Ostasien (Korea und Japan, die ich beide noch nicht bereist habe) und modernen Einschlägen. Man kann ja über die Bundeskanzlerin sagen, was man will. Aber recht hat sie damit: Taiwan und Korea werden uns auf vielen Gebieten überholen. Die beeindruckende Infrastruktur hier macht das nur zu einer Frage der Zeit. Wenn wir nicht gegensteuern. Taipeh 101, das bis 2007 höchste Gebäude der Welt, muss sich hinter der Dubai Mall, was die Luxusmarken angeht, definitiv nicht verstecken. Neben all der modernen Errungenschaften existiert die Tradition ganz selbstverständlich parallel. Im Longshan-Tempel, den ich als erstes besuchte, war es interessant zu sehen, wie buddhistische Mönche vor einer Gottheit beteten, daneben daoistische Gläubige ihre Gebete loswurden. Große Gestecke aus Blumen lagen neben Arrangements aus Obst als Göttergaben. Nach dem Tempel ging es zum Hochhaus Taipeh 101. Das ist auf dem Rückweg nochmals dran. Denn das Hochhaus selbst ist wie Dubai, viel interessanter ist der Blick darauf. Doch für den Aussichtspunkt: Elephant Hill, hat der Akku heute nicht mehr gereicht. Ich war noch auf Zhongzheng Memorial Park. Plätze können nicht nur die Han-Chinesen. Auf einem atemberaubend großen Platz steht das Nationaltheater, ihm gegenüber die Nationale Konzerthalle – beides Hallen, wie man sie sich im Bilderbuch vorstellt. Und am Ende des Platzes die Chiang Kai-shek Gedächtnishalle. Dieser Mann hat übrigens 16 Jahre autoritär über Taiwan geherrscht.
Sydney oder wie ich zu wasserfesten Schuhen kam
Sydney ist um diese Jahreszeit super bereisbar. Wir haben im Observatorium die Wetterdaten des vergangenen Jahrzehnts nachvollzogen. Mitte März: kein Regen, 23°C. Da haben wir wohl ein feuchtes Jahr erwischt. Nachdem es bei meiner Anreise nur bewölkt war und ich am ersten Nachmittag – noch allein – zwar bewölkte aber trockene Bilder von der Oper und der Sydney Harbour Brücke machen konnte, ging es schon los, als Mareike in Australien ankam. Der Jetlag hält sich bei uns beiden in Grenzen. Ich führe es auf den relativ langen Stop in Taipeh zurück, irgendwann muss man ja mal schlafen und ich habe auf dem neunstündigen Flug von Taipeh nach Sydney sechs Stunden Schlaf gefunden. Nicht den bequemsten, aber ich will nicht jammern. Der erste richtige Sydney Tag ging bereits 7.45 Uhr los, bei normalem Landregen. Dieser steigerte sich bis Mittag zu wolkenbruchartigen Niederschlägen. Wir reden von ununterbrochenem Regen. Das Frühstück nahmen wir in Rose Bay ein, dorthin fuhren wir mit der Fähre. Das war einfach und angenehm. Sydney hat keine easy Karte wie Taipeh, hier heißt das Teil Opal Karte. Wir kauften eine und es ging los. Das Cafe war eine Empfehlung aus dem Reiseführer und die war gut. Mareike hatte einen french Toast, der in Nutella ersoff, mit Bananen und Zimt angereichert wurde und ich ein Bun – das kann man gut mit den Toasty Aufbackbrötchen vergleichen – mit Avocado und Lachs. Preise in Australien sind nicht wirklich billig, mit 15€ umgerechnet ist man mindestens für ein eher einfaches Frühstück dabei. Dennoch fanden wir Sydney nicht teuer. Das Museum für moderne Kunst, unser nächstes Ziel im Regen, war bspw. kostenlos. Sämtliches outdoor Equipment, das wir eigentlich erst für Neuseeland eingepackt hatten, konnten wir in Sydney gut nutzen. Mareike setzte auf ihre neue Regenjacke und die Regenhose, ich gab Ralph DeBricassare, mein kardinalroter Poncho ist ja allgemein bekannt, den kann man so wunderbar über den Rucksack ziehen. Allein schuhtechnisch war ich auf diese Mengen Wasser nicht eingestellt. Es mussten also wasserfeste Schuhe eingekauft werden, die trage ich seitdem ununterbrochen. Mareike riet mir zu graugrünen Salomon-Sneaker, die sind sogar operntauglich. Denn nach dem Museum und einem späten Mittagessen – es gab Burger – hatten wir 17 Uhr eine Opernaufführung. Arien-Potpourri. Für meinen theateraffinen Kollegen: Sie wären rausgegangen. Eine Musicalvorstellung in Deutschland ist gegen das, was geboten wurde, eine steife Veranstaltung. Auf Orchester wurde verzichtet. Ein Entertainer, der auch des Klavierspielens mächtig war, führte durchs Programm und ein asiatisch anmutender Bariton schmetterte eine Arie aus Carmen los. Dann kam eine Dame auf die Bühne, die stimmgewaltig war. Das lag unter anderem an ihren großen Resonanzkörpern. Womöglich stillte sie zwischen den Arien auch Vierlinge??? Mich beeindruckte ihr knallroter Kussmund, der dermaßen großzügig geschminkt war, dass die Lippen quasi an der Nasenspitze endeten. Beeindruckend. Bis zur Pause gab es 5 Arien, die immer wieder kurz vom Mann an Klavier in den rechten Kontext gerückt wurden. Als wir nach der Pause wieder Platz nahmen, durfte das komplette Publikum den berühmten Chor aus Aida auf „lalala“ anproben, das brauchten wir später. Neben den japanischen Bariton, der gut den Gockel auf dem Bauernhof hätte geben können und der großbrüstigen volllippigen Mezzosopranistin, gab es noch einen lyrischen glatzköpfigen Tenor, eine nette Sopranistin namens Natalie Aroyan und dann kam ein weiterer stimmgewaltiger asiatischer Tenor auf die Bühne, der noch 2 Arien gab. Zum Schluss, nach dem ersten Applaus, sang das Publikum dann zusammen mit der Fünferkombo Profis und dem Mann am Klavier die Aida-Passage. Es war amerikanisierter, als ich es für möglich gehalten hatte, aber wer kann schon behaupten, in der Sydney-Opera gesungen zu haben???
Tag 2 war ohne Regen. Ein leichtes Sprühen zählten wir schon nicht mehr als Regen. Das gab es zwischendurch wohl. Wir schauten uns das Rathaus und 2 Kirchen an, frühstückten im Hyde-Park mit Muffin, Käse-Schinken-Toast und frischer Ananas, besuchten dann den berühmten Aussichtspunkt auf die Oper und die Hafenbrücke und trafen dort auf alle asiatischen Reisegruppen und die Ausflügler der beiden ankernden Kreuzfahrtschiffe (Carnival und MSC – für Hasi 😉) zusammen. Und dann ging es wieder mit der Fähre bis Watson, das schon am Pazifik liegt, weiter mit dem Bus bis Bondi-Beach, dem Strand der schönen Menschen, die allerlei körperlichen Ertüchtigungen nachgingen von Kraftsport bis Surfen und liefen dann einen wirklich schönen Küstenpfad bis Cogee. Immer an der Steilküste ging es entlang mit spektakulären Ausblicken. In einer entspannten Bar in Bronte gab es einen späten Mittagssnack, abends waren wir bei einem entzückenden kleinen Italiener direkt um die Ecke unseres Hotels. Das war im übrigen sehr gut. Wir haben 67€ für die Nacht bezahlt. Gut, die Zimmer waren alles andere als geräumig und man schaute – wir man das aus Spanien kennt – in einen Lichtschacht. Aber: ruhig, sauber – genau das, was man für einen Städtetrip braucht. Da wir nicht wussten, wie der jetlag uns erwischt, gab es in Sydney Einzelzimmer. Nun reduziert sich die Priivatsphäre in den nächsten Tagen auf Doppelzimmer, dann auf Schlafsaal in den Hütten des Milford-Tracks und schließlich auf einen Campervan.
Noch dies als lustige Begebenheit. Opal Cards kann man nur zu einem vielfachen von mind. zehn Doller aufladen. Da wir wussten, dass uns das Ticket zurück zum Flughafen 18$ kosten wird, machte es also keinen Sinn, nach all den Ausflügen nochmal Geld auf die Opal Karte zu laden, die verbliebenen 3$ waren günstiger verfallen zu lassen. Da ich im Minisupermarkt 7/11 jedoch einen Opal-Karten-Knopf sah, kam ich auf die grandiose Idee, so wie ich das aus Hongkong kannte, die letzten 3$ in Süßigkeiten umzusetzen. Gesagt, getan. Beim Bezahlen meinte der Kassierer, als ich die Opal-Karte auflegte, dass es sich um eine Opal-Karte handelt, mit der ich gerade bezahlen wollte. Ja, wo ist das Problem? Nur in meinem Kopf bestand die Möglichkeit, auch in Supermärkten mit der Transportkarte zu bezahlen, real existiert diese Möglichkeit nicht, wie ich in diesem kleinen Feldversuch festgestellt habe. Ich erinnerte mich an eine Kuba-Begebenheit, wo auch nur für mich klar war, dass das Taxi, das ich angeheitert bestieg, für mich dastand. Die Schlange aus mehreren Dutzend Menschen, die auch auf ein Taxi warteten und die ich ausblendete und ignorierte, passte nicht in mein Weltbild. So war es auch hier. Ich kann immer noch nicht verstehen, warum meine Idee, den Restbetrag auf der Opal-Karte in Lebensmittel umzusetzen, noch keine Schule gemacht hat.
Und das war Sydney: regnerisch, erlebnisreich, gar nicht so teuer wie erwartet.
Doubtful-Sound
Der Cousin seines viel berühmteren Vetters, des Milford-Sounds, stand am ersten Tag der Tage in Fjordland auf dem Programm. Wir hatten so tolles Wetter! Morgens noch verhangen, aber spätestens mittags war es wolkig mit hohen Sonnenanteilen. Der Ausflug nach Doubtful-Sound, der viel größer und artenreicher als Milford ist, ist ein Programm, auf das man sich einlässt. Es ging für uns mit einer 20-minütigen Fahrt mit dem Mietwagen – Linksverkehr ist für niemanden von uns beiden ein Problem mehr – zur Ablegestelle eines Katamarans los. Bis dahin war am frühen Morgen gegen sieben kaum jemand unterwegs. Dann trafen wir schon auf einige Touristen, es können maximal 150 gewesen sein. Der erste Teil zum Sound wird auf dem Lake Manapouri per Katamaran zurückgelegt. Die Neuseeländer halten diesen See für den schönsten ihrer alpinen Seen, das ging mir allerdings erst auf der Rückfahrt auf. Auf der Hinfahrt nahmen wir am Außendeck an einer windgeschützten Stelle Platz und hatten freien „Blick zurück“. Für mich ist an allen bis jetzt besuchten neuseeländischen Seen das unterschiedliche Uferrelief faszinierend. Auf der einen Seite ist dies bis jetzt alpin gewesen, eigentlich musste keiner der Seen den Vergleich mit dem Königssee scheuen, zumal wir meist in Seitenarme fuhren, in denen sich die Felswände dramatisch in die Höhe schraubten. Auf der anderen Seite können diese Seen nicht wirklich begeistern, jeder europäische Mittelgebirgssee kann da mehr. Genau auf diese Seite schaute ich zurück. Am Ende des Sees angekommen, stiegen wir in einen Bus – insgesamt gab es drei, deshalb die Extrapolation auf die Gesamtteilnehmer - um der uns über den Wilmot-Pass zum eigentlichen Fjord kutschierte. Hinweg ohne Zwischenstopp, den hatten wir dann auf dem Rückweg, bei weitaus besserem Wetter. Endlich am Fjord, denn ein Sound ist es bei Betrachtung der Tatsachen nicht, angekommen, Umstieg auf einen weiteren Katamaran. Und dann drei Stunden Fahrt durch grandiose Natur. Steile Felswände erheben sich vom Meeresspiegel aus. Wer Norwegen bereist hat, weiß, wie so etwas aussieht. Im Gegensatz zum berühmteren Verwandten ist Doubtful artenreich. Es gibt eine Seelöwenkolonie, die allerdings nicht übermäßig gut besucht war an unserem Besuchstag, die meisten Tiere waren wohl fischen, Pinguine, die wir gar nicht sahen und eine Schule Tümmler, die sich kurzfristig sehen ließ. Beeindruckend war der Trip dennoch und besonders die Stille auf der Rückfahrt zur Anlegestelle, als der Kapitän für drei Minuten den Motor abschaltete und absolute Ruhe im Sound herrschte. Selten hatte ich solche Reiseerlebnisse und ich dachte an Hiltrud und Doreen, die beide schon den Moment in Mysore erlebt haben, wenn am Sonntag der Maharadschapalast mit zehntausenden Glühlampen erleuchtet wird und man im Moment des Umlegens des Schalters dabei ist.
Touristisch wird diese Strecke nur als Nebenprodukt benutzt. Sie wurde angelegt, um Wasserenergie zu gewinnen. Und sie ist das erste Projekt der Neuseeländer, bei dem diese sich für den Umweltschutz eingesetzt haben. Um noch mehr Energie auszubeuten, sollte der Lake Manapouri angestaut und mit dem Lake Te Anau, der dreißig Meter höher liegt, verbunden werden. Weit vor den Zeiten von Internet unterschrieben aber so viele Neuseeländer eine Petition gegen dieses Vorhaben, dass die damalige Regierung nicht daran festhalten konnte. Aus heutiger Sicht grandios, die einmalige Natur wäre für immer zerstört worden. Im Vergleich zu Milford werde ich jedem Doubtful empfehlen. Wer Milford mit all seinen touristischen Auswüchsen sieht, wird die Ruhe in Doubtful und die überschaubare Anzahl von Mitreisenden schätzen. Mich hat Milford nicht überzeugt, aber das liegt auch an den äußeren Umständen, zu denen ich später in diesem Bericht komme. Zurück ging die Reise entsprechend umgedreht. Erst Bus mit phänomenalem Stopp am Wilmot-Pass und dann Katamaran über den Lake Manapouri. Wieder schaute ich zurück, dieses Mal aber auf die alpine Seite. Das Szenario war spektakulär. Und das war erst der Auftakt im Fjordland, weiter ging es auf dem berühmten Milford-Track – the finest walk in the world.
Don’t be a dirty vagina
Schimpfworte und geflügelte Worte gefallen mir in allen Sprachen. Deshalb war ich auch dankbar, als mir Kim, 60-jährig aus Chicago, obige Phrase beibrachte. Die nächsten Ausführungen werden teils detailverliebt, aber ich schreibe ja für mich auf, und ein paar Dinge möchte ich in Erinnerung behalten.
Los ging unser Milford-Abenteuer im Supermarkt. Im Gegensatz zu europäischen Hütten bieten neuseeländische nichts. Keine Verpflegung, keine Dusche. Doppelstockbetten, wie man sie auch in Europa findet, Matratzen mit einer Polyurethanummandlung, also alle Flüssigkeiten, die jemals darauf landen sollten, sind mit einem Wisch weg, allerdings erreicht auch die hohe Luftfeuchtigkeit nicht das Matratzeninnere, was wohl den eigentlichen Zweck der Ummantelung erklärt. Wir mussten also einkaufen und uns für 3.5 Tage versorgen. Wir entschieden uns für sechs Eier, die noch vor Trackbeginn das Stadium hartgekocht erreichten, Swiss-Cheese in handliche Schnitze abgepackt, vier Kaminwurzen, sieben Oat-meals, die uns nicht auf Grund ihrer cholesterinsenkenden Wirkungen, wie PR-wirksam auf der Packung ausgeführt, überzeugten, sondern weil sie in Sachets praktisch abgepackt waren, einer Packung Nussmischung, einer weiteren Packung gerösteter Erdnüsse, zwei Dosen Tomaten (a 400 g) 600 g Nudeln, zwei kleine Zwiebeln, vier Äpfeln und getrockneten Pfirsichen. Weiterhin gab es pro Wanderer und pro Tag wahlweise einen Proteinriegel, oder für diejenigen, die sich solchen Dingen nicht erwärmen können, also mich, einen Cookie. Das war extrem gut kalkuliert. Allerdings waren wir fast die einzigen Europäer (und somit Wandererfahren 😉), hatten mit Abstand den wenigsten Müll und nutzen keine dehydrierte Nahrung. (Da kostet die Portionstüte für 2 Personen umgerechnet 10 Euro, dafür haben wir 2 Hauptgerichte zusammen gekauft.) Wen das one-pot-Pasta-Gericht, das super schmackhaft war und unser Abendessen darstellte, interessiert, der möge mich anschreiben.
Am ersten Tag blieb die Küche jedoch kalt, wir versorgten uns mit Backwaren und dann ging es los. 20 Minuten Busfahrt zum Fähranleger. Dann raus auf den Katamaran und 90 Minuten über den Lake Te Anau. Es war windig, Mareike nahm im Inneren auf dem Hauptdeck platz, ich saß oben auf dem Oberdeck. Neben Individualreisenden, die all die Entbehrungen auf sich nehmen, kann man den Milford-Track auf für 2000 US$ vollverpflegt und mit Tagesgepäck laufen. Eine solche Gruppe teilte sich mit uns das Schiff und auf dem Oberdeck knüpften sich erste Bekanntschaften. So war eine extrem mitteilsame alte Dame aus Queensland darauf aus, alle Mitreisenden kennen zu lernen. Als sie bei mir ankam und ich ihr dreimal meinen Namen nannte, den ich selbst schon auf Matt verkürzte und ich ihn dennoch buchstabieren musste, fand sie mich erst auf Grund meiner Haare faszinierend und fragte, ob sie diese anfassen dürfte. Vielleicht ein Fetisch, aber ich stimmte zu. Das Interesse ließ schlagartig nach, als sie mit einiger Hilfe begriff, dass ich nicht die geführte Luxustour machen werde, sondern Individualtrekker mit 12 Kilo auf den Schultern bin. Danach stoppte auch dieses Schiff und wir wurden um Andacht gebeten, denn genau vor einer Woche, um 13.32 Uhr waren die Anschläge in Christchurch. Das war ein bewegender Moment, als wirklich mucksmäuschen Stille auf dem riesigen See herrschte und jeder in sich ging.
Danach lernte ich Kim aus Chicago kennen. 60 Jahre alt, alleinreisend. Sie holt all das nach, was sich sich in ihren Zwanzigern nicht erlauben konnte, finanziell. Ihr Mann ist typischer Anwalt, wie sie meinte und damit erklärte sie auch ihren Alleinreisestatus. Mir schoss Virchow-Trias durch den Kopf: Diabetes, Übergewicht und ein Blutdruck jenseits von Gut und Böse. Kim hat drei Kinder und ihre Älteste hat einen Freund aus Innsbruck, eine Stadt, die sie awesome findet, bis auf die Knödel, die mag sie nicht. Europäische Hütten kennt sie nur aus Erzählungen. Und sie meinte, der Humor von Europäern und US-Amerikanern sei so unterschiedlich. Als ihr Jüngster mit dem Freund ihrer Ältesten die erste Hüttentour in Europa machte, mit Verpflegung, Sammelunterkünften und Duschen (jeder Kontinent fordert seine Opfer, bei uns sind es die Schlaflager, die die Ausländer abschrecken) und er sich beschwerte, blaffte sie ihn an: „Don’t be a dirty vagina!“. Alle lachten, bis auf den zur Salzsäule erstarten Schwiegersohn, der hatte die Ironie nicht verstanden. „Stell dich nicht so an!“ übersetzt diese Phrase also deutlich besser als die wörtliche Wiedergabe.
Als wir nach 90 Minuten den Beginn des Tracks erreichten, dachte ich die nächsten 1.5 Stunden an Sabine. Die schrieb mir vor Monaten, wie man nur einen Track laufen könnte, der mit einer 90 Minuten Etappe startet. Recht hast du und wir werten das irgendwann in Innsbruck aus (oder du kommst mal in Mitteldeutschland vorbei) und die Wegbeschaffenheit würde dich bis auf den dritten Tag genauso schimpfen lassen, wie in Patagonien, aber der Track ist so schön. Am ersten Tag geht es eben nur diese 90 Minuten bis zur ersten Hütte: Clinton Hut. Der Weg führt absolut flach dahin, man hat mehr das Gefühl, auf einem Parkweg zu laufen, aber die Natur ist atemberaubend. In einer der regenreichsten Regionen der Welt sieht man nach zwei Metern, wie ein Kaltregenwald aufgebaut ist und warum der Silberfarn das Wahrzeichen Neuseelands ist. Vom Weg abkommen ist unmöglich, da 50 cm neben dem Weg Dickicht beginnt.
Die erste Hütte auf einem Track in einem fremden Land ist immer spannend. Trotz bester Recherchen ist eine gewisse Überraschung gegeben. Die Hütten sind einfach. Duschen gibt es nicht, wohl aber ausgezeichnete sanitäre Anlagen. Die Sauberkeit ist, wie in ganz Neuseeland, bemerkenswert, eingedenk der Tatsache, dass sich 40 Trekker 3 Toiletten mischgeschlechtlich teilen. Auf jeder Hütte gibt es eine(n) warden, einen Angestellten der neuseeländischen Naturschutzbehörde. Die- oder derjenige ist die „Mutti“, versorgt die Wanderer mit Informationen, führt die Hütten täglich in einen vorzeigbaren Zustand zurück, unterhält die Wanderwege in seinem Abschnitt und sucht nach vermissten Wanderern. Kommt nicht vor? Oh doch. Zwei Tage bevor wir in der zweiten Hütte eintrafen, ist eine japanische Wanderin vermisst worden. Hannibal, ein berühmter Neuseeländer von der Südküste hat sie gegen Mitternacht bei einer Helikoptersuche gefunden. Der Milford-Track kann nur in einer Richtung begangen werden. Jeder Hüttenvater bekommt von einem Wanderer, diese Aufgabe wurde mir auf unserem Track zuteil, eine Liste derjenigen, die „eingecheckt“ sind, übergeben. Die Liste wandert quasi mit. Gleichzeitig muss man sich, sobald man in der Zielhütte eingetroffen ist, mit Namen und Buchungsnummer auf eine Liste eintragen und zwar hinter den Matratzenschlafplatz, auf dem man nächtigen wird. Fehlt diese Information und wird man trotz intensiver Befragungen aller Gruppenmitglieder nicht gefunden (es gibt in jeder Gruppe etwas schwerfällige Menschen, die auch in der dritten Hütte das System noch nicht verstanden haben, die aber dennoch aus eigener Kraft angekommen sind und die von den Mitreisenden auch schon als potenzielle Verpeiler identifiziert wurden), geht die Suche los. Die Japanerin wurde gegen Mitternacht gefunden, näheres ist unbekannt. Warden auf der ersten Hütte war Grace, eine junge Frau Anfang dreißig. Taff!!! Auf der zweiten Hütte trafen wir auf Alison. Die war noch taffer. Da gab es Ansagen, die befolgte jeder beim ersten Mal. Sie war so zauberhaft. „Du hast Fjordland ohne Regen nicht wirklich gesehen.“, einer ihrer wahren Sprüche. Auf dem Weg bis zur zweiten Hütte war das Wetter fantastisch, kein Tropfen Regen und der Weg am zweiten Wandertag wurde auch etwas anspruchsvoller. Vier Stunden eben und parkähnlich und dann wurde es alpin. Leichte Blockkletterei und teils bissige Anstiege in (fast) ausgetrockneten Flussbetten.
Mit uns wanderten zwei größere neuseeländische Gruppen, eine mit durchaus adipösen Mitgliedern, die wir nur schwitzend oder essend gesehen haben. Beef Jerky und Biersticks (Kaminwurzen) in Massen und zum Abendessen nicht nur dehydrierte Hauptmahlzeiten, nein, man muss auch fernab der Zivilisation nicht auf Genuss verzichten. Im Wasserbad wurde jeden Abend ein Dessert erwärmt. Die andere Gruppe war das ganze Gegenteil. Die dehnten sich jeden Abend, ein mischgeschlechtliches Jane Fonda Video hätte nebenbei produziert werden können. Alle um die 30 und sie sahen so aus, als seien sie einer Fitnessstudiowerbung entsprungen und könnten in Malibu bei den Rettungsschwimmern ohne Einarbeitung anfangen. Eine der Damen war (vermutlich im vierten Monat) schwanger, das stellte sie vor kein Problem. Schön waren die gemeinsamen Jogaübungen auf den Dielen der Hütte und eine Faszienrolle wanderte auch mit. Allen gemein war eine ausgesprochene Vorliebe für Kaffee, den sie hingebungsvoll auf den Gasherdplatten im Campinggeschirr kochten. Acht Gaskocher werden übrigens in jeder Hütte gestellt, man muss „nur“ Topf, Geschirr und alle weiteren Utensilien mitnehmen.
Wer noch nicht aufgegeben hat zu lesen, erfährt jetzt den Höhepunkt des Tracks. Tage 3 und 4. Tag 3 ist landschaftlich der Höhepunkt, man muss über den McKinnon-Pass ins Nachbartal wechseln. Spätestens jetzt muss man schwindelfrei sein. Der Aufstieg ist gar nicht so schlimm, es sind zwar 600 Höhenmeter, aber die gehen sich gut. Die Ausblicke sind jedoch spektakulär, außer im Rosengarten habe ich noch nirgends auf der Welt so steile Wanderwege gesehen. Auf halbem Weg begann der Regen. Erst ganz leicht. Ein Nieselregen. Je näher wir an den Pass kamen, desto feuchter wurde es. Und windiger. Sicht am Pass gleich null in der einen Sekunde, dann riss es wieder unvermittelt für wenige Sekunden auf. Großartige Erinnerungen, die im Kopf und nicht auf der Kamera bleiben. Die tausend Höhenmeter im Abstieg waren knackig. Zumal es mal mehr, mal weniger regnete. Aber immer noch in einer Quantität, die auch ein Europäer als Regen empfindet. Fjordland hatte trockene Wochen hinter sich, die Flüsse waren in den Oberläufen schon ausgetrocknet. Und Alison von Hütte zwei hatte Recht: man hat Fjordland nicht gesehen, wenn es nicht regnet. Der Regenwald ist noch grüner und die Wasserfälle machen einen sprachlos. Jeder der an Elronds House oder Bruchtal in Herr der Ringe denkt, hat nur eine vage Vorstellung, wieviel Wasser einen Berg herunter fließen kann.
Nach sechs Stunden straffem Weg kann man sich entscheiden, den Rucksack abzusetzen und einen 90 minütigen Umweg einzulegen, zu den Southerland-Falls, den höchsten Wasserfällen Neuseelands. Wir machten das und es hat sich sehr gelohnt. Durch den Regen, der in den letzten Stunden fiel, waren die Fälle beeindruckend. Dieser Regen ist jedoch nicht im Vergleich zu dem, was in der kommenden Nacht, als wir bei Ian, warden in Hütte drei, eintrafen, erlebten. Ich habe in meinem Leben noch nie so viel Wasser gesehen. Es regnete 20 mm die Stunde, der Arthur-River, der das Tal zum Milford-Sound, unserem Ziel am vierten Tag des Tracks, durchfließt, schwoll an und an. Jeden Abend findet ein hut-talk statt, bei dem der Hüttenvater oder eben die -mutter etwas zum Weg des nächsten Tages, zur Natur, zum Wetter und zu allen aufkommenden Fragen sagt. Ian begann damit, dass er sich freue, dass trotz des Wetters alle gesund in der Hütte angekommen seien. Das sei nicht normal. Erst kürzlich hätte sich jemand Schien- und Wadenbein beim Abstieg gebrochen, offene Brüche und ausgerenkte Gelenke scheinen Ian durchaus bekannt zu sein. Dann wurde er noch ernster und meinte: ob ihr morgen hier rauskommt, sehen wir um sieben morgens. Jeder ist dann abmarschbereit in seinen Schuhen und hat das Gepäck geschultert. Wenn ihr durch den ersten Nebenfluss nach zwei Kilometern nicht kommt, sitzt ihr hier fest. Und das Wetter wird für die nächsten Tage noch schlechter angesagt, es könnte also länger dauern. Diese Info führte dazu, dass Mareike und ich die noch vorhandenen Nudeln nicht komplett kochten, sondern lieber Reserven anlegten. Besser ist besser. Das Problem an den Nebenflüssen ist, dass man sie nicht durchwaten kann, ihre Strömung ist so stark, dass sie schon bei Kniehöhe nicht mehr passierbar sind. Ich bin bestimmt keine dirty vagina, aber einen eiskalten Fluss zu durchwaten, ist echt das letzte, wonach mir der Sinn steht. Egal wie widrig die äußeren Umstände sind.
Geschlafen habe ich wunderbar, die drei Male, die ich wach war, hörte ich nur Regen um mich. So viel Regen, ich kann es nicht beschreiben. Als mich Mareike halb sechs weckte, meinte sie: „Hier kommen wir nie raus, aber folgen wir lieber den Anweisungen.“ Viertel nach sechs meinte Ian, wir können uns wieder hinlegen, hier kommt niemand durch, der Fluss ist zwei Meter über die Ufer getreten. Wetterbesserung ist für zehn Uhr angesagt. Die stellte sich ein, gefühlt hörte es für fünf Sekunden auf zu regnen. Das bekam man allerdings nicht mit, da die steilen Bergflanken nur aus Wasserfällen bestanden. Ich kürze es ab: die Situation war nie gefährlich, doch halb zwölf erfuhren wir, dass wir die letzten 18 Kilometer unseres Tracks in der Luft zurücklegen werden müssen. Die Situation war derart dramatisch, dass wir mit Helikoptern ausgeflogen wurden. Na toll, mein erster Helikopterflug bei wolkenbruchartigen Niederschlägen. Er war viel besser als gedacht, auch wenn mich nicht gerade glücklich machte, dass ich hinter dem Piloten saß, und der seine Tür nicht schloss. Das deshalb, weil unter uns das Gepäck – unsere Rucksäcke der halben Gruppe – hing, die musste er im Blick behalten und bei 6 Personen an Bord dieser fliegenden Nussschale wollte er den Durchblick behalten. Mareike machte das weniger zu schaffen, sie filmte und fotografierte froh. Mich hat dieser Flug nachhaltig beeindruckt. Wir flogen in einem Gletschertal unterhalb der Bergflanken. Diese bestanden aus reinem Wasser. Links und rechts von uns Wasserfälle. Das, was ich gegen Ende des Fluges für Milford-Sound hielt, war das überschwemmte Tal, wo mal der Weg langführte. Talboden gab es nicht mehr, kinnhoch stand das Wasser. Mit diesen Eindrücken landeten wir in der Zivilisation in Milford-Sound und was danach kam, schreibe ich später auf.
Und noch ein Regentag
In Milford-Sound eingeflogen, brachte uns ein Bus zum Touristenterminal. Hier kommen alle Busse und Individualreisenden an und werden auf die Katamarane der Tourenanbieter umgeladen. Dafür, dass wir in den letzten Tagen die Natur nur mit 38 Mitwanderern teilen mussten, war das hier ein ziemlicher Schock. Bei strömendem Regen betraten ganze Reisegruppen die Schiffe, wohl mit einer ganz leisen Hoffnung, das Wetter könnte noch aufklaren. Die Hoffnung blieb unbegründet. Wir fuhren nach gut einstündigem Aufenthalt mit dem Bus zurück nach Te Anau, dem Ausgangspunkt unseres Milford-Track Abenteuers. Im Bed und Breakfast erwartete man uns schon und Liz und Nathan waren nicht nur über die verunglückte Japanerin informiert, sie vermuteten auch stark, dass, wenn wir auftauchten, wir ausgeflogen worden sind.
Am nächsten Tag dann Abschied von Fjordland, dass wir meiner Meinung nach ziemlich umfassend und in allen Facetten kennen gelernt haben. Zum Abschied sahen wir uns im Kino von Te Anau den Film Shadow Land an. Das war eine beeindruckende Zusammenfassung. Über Queenstown, wo wir ein wenig einkauften (meine erste Sonnenbrille, die ich in Neapel günstig erstanden hatte, hatte den Track nicht überlebt, Ersatz kam her), fuhren wir nach Wanaka, das uns verregnet empfing. Warum sich Shania Twain in diese Landschaft verliebte, ging uns erst nach einem Wetterwechsel am nächsten Tag auf. Bei formidablen Bedingungen, wenig Wolken, viel Sonne und angenehmen 16°C wanderten wir auf den Roys Peak. Die Wanderung gilt als schönste Tageswanderung der Südinsel und das absolut zurecht. Die 17 km insgesamt zeichneten sich durch 1250 m Aufstieg und entsprechend die gleiche Höhe im Abstieg aus. Ansonsten können die Bilder mehr sagen als jede Beschreibung.
Was der Regen an der Westküste anrichtete, erfuhren wir auch, als wir in Wanaka ankamen. Dort, an der Westküste, die Route, die wir in den nächsten Tagen nehmen wollten, führt genau ein Highway von Süd nach Nord. Und auf diesem wurde eine Brücke weggerissen. Der Jahresniederschlag meines Heimatorts fiel in 24 Stunden an 2 Orten an der Westküste. Ein Jahrhundertereignis. So ist die Straße nur bis Fox Glacier passierbar. Und weil kaum jemand diese lange Einbahnstraße von ca. 220 km Länge auf sich nahm, hatten wir diese fast für uns allein. Zahlreiche Fotostopps unterbrachen die Autofahrt zu den Gletschern, die eindrucksvoll und steil vom Hochgebirge in den Regenwald herabfließen. Das Dorf Fox Glacier, in dem unsere Unterkunft liegt, hat mir einem Gletscher so viel zu tun wie Braunlage im Harz.
Fox Glacier
Eine eigenartige Stimmung umgibt diesen eigentlich sehr touristischen Ort gerade. Es sind kaum Touristen da. Was absolut nicht der Sicherheitslage geschuldet ist. Wie überall, wo Naturkatastrophen passieren, muss man die Lage sehr kleinteilig betrachten. Zwischen Fox Glacier und Franz-Josef-Glacier hat es die Brücke weggerissen. Das ist dramatisch, aber gut 5 km von unserem bed and breakfast entfernt. Mit der Brücke ist auch das Telefonkabel gekappt worden, es gibt kein Internet, sodass bis auf die Geschäfte, die vor allem asiatisches Publikum anziehen, niemand Kreditkarten nimmt. Ansonsten gibt es keine Einschränkungen: der Supermarkt hat geöffnet und verkauft alle die Dinge, die wir womöglich gebrauchen könnten und wir können essen gehen. Vorteil ist jedoch, dass aus nachvollziehbaren Gründen viele die nun weite Anreise scheuen. Nach Norden geht es nicht weiter, so dass für die An- und Abreise von Wanaka aus zusammen 500 km Fahrt nötig sind. Und deshalb ist es hier gerade ziemlich entspannt. Am berühmten Lake Matheson, dort, wo sich Mt. Tasman und Mt. Cook im Wasser spiegeln, gibt es eine drop-off Spur für Busse und jede Menge Parkplätze. Wir trafen auf dem Rundwanderweg, der 90 Minuten dauert, gefühlt 10 andere Menschen und auf dem Parkplatz war außer 3 Campervans nur unser Auto. Für die Halbzeit unserer Reise ist das gerade richtig. Es waren so viele Eindrücke, die müssen wir erstmal verarbeiten. So gab es gestern Abend ein frühes Abendessen, gefolgt von einem Sonnenuntergang am Gillespies-Beach. Dieser war absolut durchschnittlich, wie man Sonnenuntergänge am Meer eben so erlebt. 😉 Keine Wolke, glutrote Sonne, Kuss des Horizonts. Man kann sich dran gewöhnen. 14 km Schotterstraße und man ist am Strand, ein paar Kilometer weiter sind die Bergriesen zu finden. In so enger Nachbarschaft so viele unterschiedliche Landschaften zu sehen, ist schon ziemlich besonders, vielleicht sogar einmalig. Auf der Terrasse unsere bed and breakfast schreibe ich diese Zeilen und schaue auf Mt. Cook, der sich aber gerade wieder in Wolken versteckt. Morgens, nach einem guten Kiwi-Frühstück mit selbstgemachter Kiwi-Marmelade und eingekochten Pflaumen (welch willkommene Abwechslung zu den Birnen, die überall daher kamen. Ich habe über Österreich als Land der Marillen berichtet und finde, Neuseeland ist das Land der Birnen.) Unsere Gastgeberin gab uns Tipps für den Pinnacles-Track auf der Coromandel-Halbinsel im Norden mit, den wir, wenn das Wetter passt, noch machen werden. Dann ging es 3 Stunden Landschaftsfotos machen. Erst zu einem Aussichtspunkt, von dem die gesamte Bergkette zu sehen ist. Keine Wolke am Himmel und als zusätzliches Vordergrundmotiv eine Kuhherde. Dann weiter zum berühmten Lake Matheson. Dieser ist, wenn kein Wind weht, der berühmte Spiegel der spektakulären Aussicht. Die besten Chancen auf Windstille hat man bei Sonnenuntergang, zu Sonnenaufgang ist die Möglichkeit auch noch gut. Beim Weckerklingeln vor sieben morgens entschied ich, dass wir liegen bleiben und obwohl einige Enten auf dem See das Wasser dann und wann „aufwühlten“, sind prima Fotos entstanden. Da können die Meinungen natürlich auseinander gehen und jeder darf beim Betrachten seine eigene Meinung haben.
Tja, nach Norden geht es nicht weiter, das wär unser Plan für die nächsten Tage. So müssen wir also morgen wieder nach Süden abdrehen. 480 km liegen vor uns, gute fünf Stunden Fahrt. Statt der berühmten Pfannkuchenfelsen in Punakaiki geht es nach Oamaru an der Ostküste, südlich von Christchurch. Das machte viel Sinn, denn in 3 Tagen müssen wir dort den Mietwagen abgeben und unseren Flug zur Nordinsel bekommen. Der Trip wird durch ein Treffen mit Pinguinen versüßt. Gleich 2 Arten leben in Oamaru und kommen JEDEN! Abend an Land um dort zu schlafen. Die Pinguintreffwahrscheinlichkeit liegt somit bei garantiert 100 Prozent. Auf die Rückfahrt über Wanaka freuen wir uns aber noch aus einem anderen Grund. Frau K. hat den Begriff von mamas little bakery, einem liebevoll geführten Kleinod mit kulinarischen Köstlichkeiten meist hochkalorischer Art, eingeführt und eine solche haben wir in Wanaka aufgetan. Wenn ich in diesem Laden irgendwann mal aufgewacht wäre, ohne zu wissen, wo ich bin, hätte ich auf Schneiders Home in Magdeburg getippt. Der Beeren-Weiße-Schokolade-Blondie kam an das Original von Sandra ran und auch alle anderen Kuchen dort waren sehr „Sandra-style“. Absolut göttlich. Mareike hatte einen Layer, der aus einer Schicht dunkler Schokolade, einer Schicht weißer Schokolade, Nüssen und darauf einem Topping, das am ehesten Bienenstich mit etwas Kokosraspel nahe kam, gewählt. Das war suuuuuper. Ich werde, so es morgen verfügbar ist, die Kreation aus salzigem Karamell und Schokolade in Form eines Brownies probieren.
Ach ja, berichtenswert ist noch das Wetter: bis auf den Starkregen, als wir in Milford-Sound waren, ist es fantastisch, wir können uns vor Sonne nicht retten. Aber das zeigen ja auch die Fotos. …
Unverhofft kommt oft
Nachdem also die Straße zwischen Franz-Josef und Fox-Glacier weggespült wurde (und die Zugänge zu den Gletschern selbst auch nicht mehr vorhanden sind), mussten wir unseren eigentlich Plan, nach Norden zu den Pfannkuchenfelsen von Punakaiki zu reisen, aufgeben. Von Fox-Glacier ging es nur nach Süden zurück Richtung Flughafen, der binnen 2 Tagen irgendwie zu erreichen war, um dann auf die Nordinsel zu kommen. Wir entschieden uns für Oamaru als Zwischenstopp. Der Ort liegt an der Ostküste und ist für seine Pinguine bekannt. Es gibt zwei Arten, gelbäugige und blaue. Wir haben beide gesehen, so viel vornweg. In Erinnerung wird mir Oamaru wegen seiner für die neue Welt fantastisch erhaltenen viktorianischen Häuser und Straßen bleiben. Vielleicht gab es diese Reise einfach zu wenig Kultur, Oamaru hat auf jeden Fall geliefert. Man fühlt sich in dem wenige Straßenzüge großen Zentrum nach Mittelengland versetzt. Auch wenn der Reiseführer schreibt, dass Oamaru seine besten Zeiten hinter sich hat, mag das sein, aber auf jeden Fall haben die Einwohner erkannt, wie man kulturelles Erbe vermarkten kann. Zuträglich für den insgesamt fantastischen Eindruck war unsere Herberge. Ich habe selten eine dermaßen exquisite Unterkunft gefunden. Garys Riad in Marrakesch, mein letzter Aufenthalt, setzt schon Maßstäbe. Hier wurde das Hotel eher als Hostel vermarktet. Das trifft es absolut nicht. Der Reisegott scheint ein Einsehen mit denen zu haben, die Vorurteile über Bord werfen. Herbergen, die nicht eine Mindestanzahl von Bewertungen auf einem der großen Portale vorweisen können, haben bei mir keine Chance. Das ist absolut vorurteilsbehaftet, denn Neustartern gibt man(n) so keine Chance, aber nachdem Schwippschwäger und nette Bekannte durchaus 25 Bewertungen, die nicht echt sind, zusammen schreiben können, schließt sich das ab einer kritischen Marke einfach aus. Diese Herberge hat gut zwanzig Bewertungen, seit ein paar Tage eine mehr. Ans Hostel schließt sich eine Galerie eines neuseeländischen Künstlers, der auf Niue (einer Insel vor Neuseeland) lebt, an. Die Zimmer sind thematisch eingerichtet und stehen, wie in einem Museum für Gäste des Hauses offen, so sie nicht belegt sind. In einem Zimmer ist Golf das Thema, im nächsten Musikinstrumente, Polo, Hockey, Cricket. Was er allein für Mühe gekostet haben muss, die aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts zusammen gesammelten Pokale und Fotos zusammen zu tragen, mag ich kaum zu erkennen.
Zu den Pinguinen: die gelbäugigen sind schwieriger zu sehen, sie landen noch bei Tageslicht an einer Steilküste an, die man jedoch nicht betreten darf. Von hoher Stelle kann man jedoch auf die Küste schauen und sieht dort auch Seelöwen. Allerdings verteilt sich das Brutgebiet dieser Tiere auf einen relativ großen Raum, sodass die Chance, eine große Anzahl zu sehen, eher gering ist. Anders sieht das bei den blauen Zwergpinguinen aus, wobei Zwerg durchaus wörtlich zu nehmen ist. Die nisten im Hafenbereich von Oamaru und man hat aus ihnen ein profitables Geschäft gemacht. In einer Art Arena sitzt man bei einbrechender Dunkelheit und wartet darauf, dass die Tiere in Gruppen, Flöße genannt, anladen. Dass Pinguine so klein sein können, war mir nicht klar. Aber sehenswert war das Spektakel, auch wenn wir in der Chinesenkurve saßen.
Weiter ging unsere Fahrt dann nach Christchurch. Die Innenstadt haben wir ausgespart, dafür waren wir im Antarktica. Von Christchurch gingen die ganzen Expeditionen auf den kalten Kontinent los, sodass sich die Stadt mit Recht Tor zum Südpol nennt. Auch wenn mit dem Blick der alten Welt die Ausstellungsstücke zahlreicher hätten sein können, hat man das Erlebnis Antarktis echt gut aufgearbeitet? Wo kann man schon mal in einen Gefrierraum und erleben, wie sich ein Sturm in der Antarktis bei -8°C Ausgangstemperatur anfühlt? Ähnliche Erlebnisse hatte ich nur bei Besichtigungen von Freezern in der Plamaproduktion. Und das auch dann nur, wenn einer der Kollegen sich besonders für Valdierung von Einfriervorgängen interessiert und das vor Ort. 😉Häglund kann man fahren, man sieht einen 4D-Film über die Antarktis (mein erster 4D-Film!), kann Huskys kennen lernen und sich interaktiv über Fauna, Flora und Klima im Süden informieren.
Das war unsere letzte Station auf der Südinsel, es ging weiter auf die Nordinsel. Ein Inlandsflug in Neuseeland ist eine tolle Sache. Sicherheitskontrollen gibt es nicht, es ist wie Busfahren. Mehrmals wurden wir während des Fluges auf die kommenden Turbulenzen hingewiesen, aber bis auf den Start, wo es etwas wackelte, haben wir nichts gemerkt. Mag an unseren Sitznachbarn gelegen haben. Ein Vielflieger saß neben Mareike und erkundigte sich über unseren Reiseverlauf und die kommenden Ziele, neben mir saß ein älterer Herr aus der alten Welt, der den Prager Frühling live miterlebt hat. Wellington begrüßte uns ganz nach ihrem Ruf als windy city. Deshalb steuerten wir das Te Papa Museum, Neuseelands Nationalmuseum an. Eine beeindruckende Ausstellung. Das kulturelle Erbe der Maori, zeitgenössische Kunst, die Einreisewellen, Fauna und Flora waren ebenso zu besichtigen wie als Sonderausstellung die Terrakotta-Armee (das haben wir uns gespart). Eine weitere Sonderausstellung thematisierte Gallipolli, den Kampf der Neuseeländer im Ersten Weltkrieg in Griechenland. Tja was soll ich sagen, woher manche Nationen ihren Patriotismus nehmen, wird einem nach so einer Ausstellung klar. Wir Deutschen arbeiten auf Grund unserer Geschichte alles sehr reflektiert auf, die Neuseeländer zeigen das ungeschönte ist. Überlebensgroße Figuren in Kriegsszenen perfekt nachgebildet, Tränen, Blut, Körperbehaarung, es fehlte an nichts. In Deutschland würde man wohl auch nicht nachvollziehen können, wie es ist, aus einem Schützengraben einen Feind zu erschießen und wie der eigene Tod durch die Kugel an gleichem Ort ist. Gute drei Stunden später besichtigten wir am Abend noch die wichtigsten Sehenswürdigkeiten Wellingtons im Schnelldurchlauf. Rauf auf den Berg mit der Standseilbahn, runter durch den Botanischen Garten zu Fuß, dort, wo viele Szenen aus Herr der Ringe gedreht wurden, wer hätte es gedacht? Am Parlament ging es vorbei zum Ausgeh- und Touristenviertel und nach einem asiatischen Abendessen – die nächsten Tage im Campervan ließen auf frugale Mahle „hoffen“ – ging es nach einem erlebnisreichen Tag ins Bett.
Und dann übernahmen wir den Campervan. Wir haben ein mittelgroßes Gefährt, dass vier Personen Unterkunft bieten soll. Soll! Wenn es sich dabei nicht um Asiaten besonders kleinwüchsiger Art handelt, frage ich mich, wie man in Frieden eine Tour überstehen soll. Auf 1.2 Meter Breite können meiner Meinung nach zwei Menschen nicht entspannt schlafen, um Nadine zu zitieren: nicht mal in den ersten Wochen, „wenn man die Finger nicht voneinander lassen kann.“ Ich bin deshalb in den Alkoven gezogen. Dort sind weiter 1.2 Meter Breite als Schlafstatt für zwei Personen gedacht. Sagen wir es so: da man diese Schlafstätten immer wieder auf- und abbaut, muss man ständig kramen. Und zum Aufbau in den Alkoven zu steigen, hat etwas von der Aufnahmeprüfung im chinesischen Staatszirkus Fach Akrobatik. Mein Hintern ist sicherlich nicht ungewöhnlich breit, aber knien geht gar nicht, ohne mit eben jenem Körperteil an die Decke zu stoßen. Deshalb mein Rat: scale up! Wie immer, auf bei Mietwagen, gilt die Regel: in großen Töpfen kann man auch kleine Gerichte kochen. Das Camperdasein ist übrigens meiner Meinung nach nur bei gutem Wetter ein vergnügliches. In Tongariro, unserem Ziel nach Wellington hatten wir die beiden kältesten Nächte der Tour bis jetzt. Das führte zum einen dazu, dass wir unsere Schlafsäcke wieder reaktiviert haben, weil die vorhandenen Decken einfach nicht genug Wärme in diesem Auto bieten und zum anderen dazu, dass der vorhandene Heizlüfter auf Dauerbetrieb lief. So war es dann doch ganz gemütlich.
Nachdem wir 5 Stunden von Wellington nach Tongariro gefahren sind, einen Zwischenstopp gab es an einer echt Holländischen Windmühle mit Essen, das vermutlich holländisch sein sollte und gut schmeckte, war Tag 2 des Camperurlaubs dem Tongariro Crossing vorbehalten. Morgens um sieben ging es los, optimistischerweise haben wir gedacht, wir könnten um sechs aufstehen. Sagen wir es so: wir saßen im Bus, aber ich habe selten ein gehetzteres Frühstück erlebt. Morgens sind wir, wie ich finde, ziemlich gut. Wenn Mareike im Bad ist, baue ich den Campervan um, dann gehe ich mit dem Teekessel über die Campsite, setze Teewasser in der Gemeinschaftsküche auf und nehme dieses, nach meiner morgendlichen Badrunde mit zum Campervan. Dann Frühstücken, abbauen, die Mühle reisefertig machen. Das alles dauert 90 Minuten bis zwei Stunden, je nachdem, wie organisiert wir sind.
Nach 20 Minuten wilder Fahrt kamen wir im Nirgendwo an und wanderten mit vielen anderen Wanderwilligen los. Die ersten Kilometer gehen eben dahin, da denken auch diejenigen, die auf Badeschuhe oder Birkenstocks (geschlossen!) setzen, ach, das läuft sich ja. Dann kommt ein Abschnitt mit Treppen, da trennt sich schon die Spreu vom Weizen. Besonders die Asiaten, die nicht so häufig wandern (also alle anderen als die Japaner 😉) keuchten ganz ordentlich. Danach geht es eine staubige Ebene entlang und dann beginnt der alpine Teil. Der macht zwar auf die Gesamtstrecke nur einen kleinen Teil aus, aber er hat es in sich. Wir habe ein osteuropäisches Paar in den Fünfzigern gesehen, die mit mehr Glück als Verstand trotz passabler Ausrüstung eine schwierige Stelle meisterten. Sie rutschte auf allen Vieren und auch meine Wanderstöcke, die ich ihr als Stütze lieh und das Knie eines wackeren und wohlgenährten Einheimischen, das sie als Auftritt nutzen konnte, machten das Fortkommen nicht gerade einfach. Der Mittelteil des Tracks ist sehr sehenswert, besonders wenn man Vulkane mag. Es gibt einen roten Krater zu sehen, türkisfarbene und grüne Seen, aus Erdspalten entweicht Dampf. In Tongariro wurden die Szenen aus Herr der Ringe gedreht, die Mordor darstellen. Ich fand den Tagestrack nicht so überlaufen, wie ich befürchtet habe, dennoch hat er mein Herz nicht erwärmt. Es war schön, alles in allem aber auch sehr viel Wegstrecke für relativ wenig Sehenswürdigkeit. Gerade die zweiten zehn Kilometer sind einfach nur Strecke, die man zurücklegen muss. 20 Kilometer machen Mareike und mir nichts aus, egal ob mit oder ohne Gepäck, aber dennoch läuft es sich einfacher, wenn man Ziele hat.
Nach Tongariro ging es nach Taupo. Auf der Nordinsel ist das die Stadt der Verrücktheiten. Man kann Bungee-Springen und alle möglichen Sportarten betreiben, bekanntere und unbekanntere und auch Varianten von bekannten. So gibt es am Ufer das Lake Taupo, das größten Sees Neuseelands einen Abschlagplatz für Golf und im See ein Green, auf dem der Ball möglichst landen sollte. Die meisten Bälle landen im Wasser und am Abend holen Taucher diese wieder aus dem See, damit sie am nächsten Tag wieder für den Abschlag zur Verfügung stehen. Wir haben die Huka-Falls erwandert. Nur zwei Stunden Weg, eher ein Spaziergang. Aber idyllisch.
Nach Taupo weiter nach Rotorua. Das ist das kulturelle Zentrum der Nordinsel, wenn man Maorikultur erleben will, ist man hier richtig. Uns reichten schon die Eindrücke in Wellington, wir waren eher für die geologischen Besonderheiten zu begeistern. So besuchten wir Waiotapu, ein Wunderland der Kuriositäten der Geologie. Ein Geysir, der täglich in die Höhe spritzt, blubbernden Schlammlöcher, heiße Höhlen mit kristallinen Schwefelablagerungen, Sinterterrassen und die berühmten Champagne-Pools galt es zu bewundern. Das war alles äußerst eindrucksvoll. Rotorua selbst hat mir auch gut gefallen. Aus mehreren Gründen: wir haben endlich mal eine Stadt lebendig erlebt. Wenn wir zum Ausgehen und Shopping fertig sind, ist es meist fünf Uhr nachmittags. Da haben die Geschäfte alle schon längst wieder geschlossen, die öffnen von neun bis halb fünf, manche auch bis fünf. So ist es echt schwer mal eine Stadt belebt und mit Einheimischen und Touristen zu sehen. Und auf die Wanderungen und Naturerlebnisse verzichten wir zugunsten der Städte auch nicht. In Rotorua waren wir mal zur richtigen Zeit. Und dann fand ich das Maori-Zentrum rund um die Kirche St. Faith wirklich sehenswert, auch, weil es eben nicht (nur) touristisch ausgeschlachtet wird und gegen Einwurf barer Münze Kultur gezeigt wird. Die Kirche, in der ein maorischer Jesus darstellt ist, der, wenn man ihn im richtigen Winkel betrachtet, aussieht, als würde er über den Lake Rotorua gehen, ist klein, aber doch sehenswert. Darum hat sich eine scheinbar intakte Nachbarschaft erhalten und es ist so witzig, wenn im Vorgarten einer Familie oder auf dem Friedhof heiße Dämpfe aus der Erde zischen. Sollte der Wettergott mitspielen und wir morgen noch White Island in der Bay of Plenty besichtigen können, haben wir geographisch ziemlich viel mitgenommen. Den ganzen Tag riecht es heute um uns nach faulen Eiern und Erinnerungen an unser drittes Semester Organiksynthese wurden immer wieder wach. Mal kam der Geruch nach Chlor hinzu, mal war es Salpeter. Selbst die Duschen in der Campsite geben nur Wasser frei, das stinkt. Soll aber gut für die Haut sein. 😉
Roadtrip
Was hat eigentlich nicht geklappt auf unserer Reise? Den letzten Teil des Milford-Tracks konnten wir wegen des vielen Regens nicht wandern. Dafür gab es einen Hubschrauberflug umsonst. Dass die Brücke zwischen den Gletschern an der Westküste der Südinsel weggespült wurde und wir dafür die Pinguine in Oamaru gesehen haben, verbuchen wir unter höherer Gewalt. So beantwortet sich die eingangs gestellte Frage damit, dass wir White Island nicht gesehen haben. Einige E-Mails hin und her, ob und wann die Abfahrt von Whakatane zur Insel – dem aktivsten Vulkan Neuseelands – stattfindet. Wir sind dann direkt beim Büro des Tourenveranstalters vorbei gefahren. Ziemlich schnell stellte sich leider heraus, dass eine sichere Anlandung nicht möglich ist, die Wellen auf hoher See – genau dort befindet sich die kleine Insel – waren zu hoch um mit Tenderbooten an Land gebracht zu werden. Ist wie es ist, wir haben dafür einen total schönen Wanderweg oberhalb von Whakatane mit weiten Blicken über die Bay of Plenty fast für uns allein. Danach ging es mit einem Zwischenstopp am Meer zum Mittagessen nach Tauranga. Diese Stadt hatten wir a) nicht auf unserem Plan und b) unterschätzt. Der Reiseführer schreibt, dass Tauranga von ausländischen Gästen nicht angesteuert wird, da sie zu gewöhnlich erscheint. Es handelt sich jedoch um eine prosperierende urbane Region und alles, was man für Strandurlaub braucht, ist vorhanden. Eine Kombination aus Lloret der Mar, Playa del Ingles und Benidorm. Die Lage ist spektakulär. Die Stadt liegt auf einer Landzunge und am Ende von dieser ragt ein Berg in den Himmel. Diesen kann man in 45 Minuten umrunden, es muss sich um einen der meistbegangenen Wanderwege Neuseelands handeln. Obwohl (noch) keine ausländischen Touristen vermeindlich Touranga besuchen, war so viel los, dass wir gleich zweimal durch die Touristenmeile kurven mussten, um einen Parkplatz für den Campervan zu bekommen. Auf der einen Seite der Landzunge brandet das Meer spektakulär an den Strand und Surfer fühlen sich wohl, auf der anderen Seite, nur wenige Meter bzw. ein paar hundert Meter entfernt, fühlen sich Schwimmer wohl. Die Atmosphäre war die eine wirklichen Urlaubsdestination.
Dann stand unsere kurvenreiche Fahrt auf die Coromandelhalbinsel bevor. Fahrstrecken längerer Art legen wir gern im Regen zurück, so auch bei dieser Tour. Morgens in Whakatane blauer Himmel, dann zog es zu, schließlich Regen. Störte uns nicht, wir saßen ja trocken. Auf der Fahrt fiel uns ein, dass wir noch keine Kiwis auf dieser Reise gegessen haben. Und da wir durch einen der Obstgärten Neuseelands fuhren, änderten wir diese Situation auch gleich. Die eingekauften Kiwis waren schmackhaft, interessanter waren jedoch Feijoas, die man in Deutschland nicht so häufig bekommt. Ananas-Guave werden diese Früchte auch genannt, und das trifft es. Es handelt sich um grüne Früchte mit glatter ledriger Haut, die man wie Kiwi aufschneidet und auslöffelt. Das Innere hat die Konsistenz von Pudding und schmeckt nach Ananas, Apfel und Zitrone. Ausgesprochen lecker und der Geruch der Frucht ist noch besser. Super delikat.
Die Fahrt bis Hahei auf halber Höhe der Coromandel-Halbinsel zog sich wie Strudelteig. Eine an den Schwarzwald und das Allgäu erinnernde Mittelgebirgslandschaft machte ein Vorwärtskommen nur erschwert möglich. Nach einem langen und erlebnisreichen Tag erreichten wir den landschaftlich schönsten Zeltplatz unserer Reise (bis jetzt) und mitten auf dem Zeltplatz gibt es eine wirklich, wirklich, wirklich gutes Burgerrestaurant. Ich hatte eine fancy Kreation mit chimichurri-Majonäse. Lecker!
Und dann kam der Sonntag – ein echter Sonnentag. Cathedral Cove ist längst kein Geheimtipp mehr. Und weil schon so viel Text vorhanden ist, stelle ich einfach ein paar Bilder ein.
Alles im Leben hat seine Zeit
Unsere letzte „große“ Wanderung war auf der Coromandelhalbinsel. Landschaftlich ist es dort ein wenig wie im Schwarzwald. Über der steilen Mittelgebirgslandschaft erheben sich im Südosten die Pinnacles. Am ehesten zu vergleich mit dem Elbsandsteingebirge. Genau diese Felsformation war Ziel unserer Wanderung. Zuerst galt es eine dirt road (unbefestigste Straße ohne Asphalt) bis zum Ende der Straße, dem Beginn der Wanderung zurück zu legen. Und das gestaltete sich schwieriger als gedacht. Die Straße, in der mein Geburtshaus steht, war bis zur Sanierung in den 90er Jahren bekannt als die schlechteste Straße meines Heimatdorfs. Schlagloch an Schlagloch reihte sich aneinander. An Anzahl und Tiefe konnte diese Straße meine historische Erinnerung um ein Vielfaches überbieten. Der Weg selbst verläuft lange Zeit im Wald, der vor allem farnlastig ist. Es geht steil bergan, in 6 km müssen 700 Höhenmeter überwunden werden. Dieser Weg hat erstmals den Begriff Wanderweg im europäischen Sinne verdient. Die Wahltirolerin würde jubilieren. Es geht durch Bachläufe, Erdrutsche müssen überwunden werden, dann und wann ist gar eine Hand von Nöten. Im oberen Abschnitt hinter der Pinnacles Hüttes muss man sich auf eher klettersteigartige Bedingungen einstellen, um die höchsten Gipfel der Pinnacles zu erreichen. Diese besucht man am besten bei Sonnenuntergang oder, wenn nicht zu viel Dunst vorhanden ist, zu Sonnenaufgang. Wir haben uns für ersteres entschieden.
Neben einer Schulklassen (vermutlich Zehntklässler), die genauso laut war wie deutsche Schüler aber doch sehr wohlerzogen – es gab 2 Schlafräume in der Hütte, die 80 Personen Platz bietet, so blieben die Schüler unter sich waren doch einige Deutsche auf der Hütte, was zu einem kurzweiligen Abend in der Küche – dem einzig warmen Raum, von den Schlafsäcken abgesehen – führte. Da waren 2 Niederbayern aus Deggendorf, die, obwohl ein Paar, immer auch teilweise allein reisen. Ein Abiturient mit einem Auto, in dem er schläft, kocht und lebt und 2 Mädels, die auf Grund ihrer Körpergröße wohl jünger wirkten, als sie es wirklich waren, saßen an unserem Tisch. Ja, mit sehr Ende dreißig ist man nicht mehr zwanzig. Und das ist gut so. Der alleinreisende Abiturient berichtete, dass er den Milford-Track gern gegangen wäre, da dieser aber keine Zeltplätze bietet (stimmt!), war er preislich nicht drin. Alle anderen waren sich einig, dass das beste Preis-Leistungs-Verhältnis beim Essengehen Dominos-Pizza ist, für 5 $ bekommt man eine vollwertige Pizza. Unschlagbar. Lieblingssupermarkt von allen war Pac’N’Save, den wir gar nicht mochten. Denn die Aldi-Qualität kombiniert mit einer Metro-Größe entsprach nicht dem, was wir suchten: kleine Portionen. Zeltplätze wählen die echten Backpacker nach Kosten aus, beliebt sind solche ohne jegliche Kosten, was dazu führt, dass auch keine Duschen vorhanden sind. Dies wird dadurch kompensiert, dass Seen auch bei Temperaturen unter 10°C der Körperhygiene dienen. Ist es nicht schön, wenn man jedes Museum ansteuern kann, ohne sich zu fragen, ob das im Budget drin ist und ein Burger für umgerechnet 10€, der jeden Cent wert ist, einem nicht in Mark und Bein trifft. Wir kamen überein, dass jedes Alter seine Vorzüge hat, denn auf das ein oder andere waren wir wechselseitig neidisch.
Die Hütte war die vordergründig modernste unserer Reise. Allerdings waren ein paar Dinge dann doch unerwartet. Es gab eine (eiskalte) Dusche, sie hatte Kochgeschirr und Wassertoiletten waren nicht vorhanden. Doch wir haben beide noch nie so gut riechende Unisex-Eco-Toiletten erlebt. Schon beim Betreten breitete sich ein floraler Duft aus, normalerweise ist dies deutlich anders, die Hinterlassenschaften der Vorgänger steigen einem erste in die Nase und sobald man die Toilettenbrille hebt, sieht man die Beschwerung auch.
Nach der Wanderung ging es für eine letzte Nacht nochmal in einen Holiday-Park mit Thermalquellen, die wieder schwefelig rochen. Im Nachbarort hatten wir die besten Fish and Chips der Reise. Eine maorisch anmutende Fischverkäuferin und ihre Mitarbeiterin eher europäischer Abstammung verstanden sich auf genau eine Zubereitungsart: das Frittieren. Das konnten sie aber perfekt!!! Von den Pommes über das super saftige Red Snapper Filet im Ausbackteig bis zum Dessert, das wir allerdings nicht mitnahmen. Gebackene Bananen mit Eiscreme.
Der Rückweg nach Auckland ging schneller als gedacht. Landschaftlich reizvoll ging es zuerst an der Küste am Golf von Thames entlang. Über Nebenstraßen ging es auf Auckland zu und dann erreichten wir die Metropole Neuseelands. Millionenstadt, aber nur deshalb, weil sie mit 2 weiteren großen Städten zusammen gewachsen ist. Auckland kommt bei vielen Neuseelandreisenden nicht besonders gut weg, mir hat Auckland extrem gut gefallen. Das mag daran liegen, dass wir wenig Stadt auf unserer Reise hatten. Obwohl Auckland eine einzige Baustelle ist, denn die erste U-Bahn der Stadt wird gerade gebaut, gefühlt wird die komplette Trasse gleichzeitig errichtet, hat sie mich in ihren Bann gezogen. Zuträglich war sicherlich zu allererst unser Apartment. Das hört auf den Namen Everest und ich hatte mir zuerst nicht vorstellen können, warum man diesen Namen wählt. Die Vorstellungskraft kam recht bald. Wir wohnten mi 28. Stock und schauten über 95% der Stadt, allein der Sky-Tower, das höchste Gebäude der südlichen Hemisphäre, überragte uns. Wir schauten direkt darauf und konnten von unserem verglasten Balkon, dessen Besuch sowohl für Mareike als auch für mich eine Herausforderung darstellte, die Bungee-Springer sehen, die sich von der Glasterrasse in Richtung Stadt stürzten. Auckland, so schreibt der Reiseführer, ist keine Stadt zum Flanieren. Da ist was dran. Aber die Aucklander haben das Beste draus gemacht. Der Hafen ist kleiner als der in Sydney und hat eine Harbour-Bridge, die nicht ganz so pompös ist, wie in der australischen Metropole. Aber zum einen soll man auf Reisen nicht vergleichen und zum anderen ist in Auckland die Infrastruktur viel einladender. Eine richtige Metropole. Die komplette Waterfront ist mit Restaurants und Cafes ausgestattet und in den Hafenbecken liegen historische Boote, die von der reichen Geschichte der neuseeländischen Schifffahrt zeugen. Das lässige Lebensgefühl der Kiwis trägt sicherlich auch zum Gernhaben der Stadt bei.
Und dann haben wir Auckland zu Shoppingzeiten besichtigt. Und ich gebe zu, ich habe mehr gekauft, als ich normalerweise kaufe. Mag an Mareike gelegen haben. 😉 Ich nenne diverse T-Shirts für Nichte und Neffe sowie Funktionssachen für mich mein Eigen. Die neuseeländischen Marken waren im Ausverkauf wirklich günstig und mit Kathmandu und Macpac laufen in Europa nicht sooo viele andere Wanderer rum. All diese Argumente haben den Einkauf eher begünstigt.
Getrennt Anreise, also auch getrennte Abreise. Nach einem Frühstück, bei dem ich mich weigerte Granola oder ein eierhaltiges Gericht zu essen – beides hatten wir in diesem Urlaub im Überfluss!!! – hieß es Abschied nehmen. Wie in Sydney, als Mareike bei Regen anreiste, setzte auch just dann der Regen ein. Also nochmals Shopping: ein neues Fleece musste her, meine Mitreisende hat wenig diplomatisch am Ende der Reise gesagt, dass mein Lieblingsfleece in einem braun furchtbar aussieht. Die Farbe ist nicht die stylischste, aber ich liebe das Teil. Dennoch habe ich in einen knallroten Pullover aus Fleece investiert. Über ein blaues Funktionsshirt aus Microfaser bin ich auch noch gestolpert, ob der Preis oder die Tatsache, dass ich bei den neuseeländischen Marken in Größe S passe, zu meinem Kaufrausch beitrugen, mag ich nicht beantworten. Nach dem Shopping gabs noch ein Eis beim besten Italiener der Stadt, Geschmacksrichtung salziges Karamell und weiße Schokolade. Mareike wird beim Lesen mit den Augen rollen, eine sehr beliebte Geschmacksstellung bei mir. Die Cookies für die Trekkings waren im selben Geschmack, allerdings mit normaler Schokolade.
Und wenn ich dann mal Zeit habe, gehe ich auch gern in Kirchen, setze mich hin und beobachte. Die Ohrenbeichte bei den Katholiken finde ich ein Relikt aus mittelalterlichen Zeiten, aber was in St. Patrick und St. Joseph abging, war bemerkenswert. Selbst in Rom habe ich weder so viel Andrang, noch so viel Disziplin gesehen. In einer Reihe auf einer Kirchenbank saßen die Bußwilligen und rutschten immer dann nach rechts auf, wenn ein Büßer gebeichtet hatte. Der Nachschub riss nie ab, teils musste eine zweite Reihe aufgemacht werden. Beeindruckt hat mich ein junger schlaksiger Mann, der mit einer dermaßen guten Laune in die Kirche kam und auch nach der Buße nichts davon verlor. Ich muss ja das Konzept nicht für mich übernehmen, aber helfen tut es wohl. Neben dem jungen Mann beeindruckte eine Frau. Von der sah man nur die Umrisse in einem blauen Umhang, Mal saß, mal kniete sie vorm Zentralalter und betete. Ihr langes taubenblaues Gewand hatte etwas Surreales. Diese Kirche lebt auf jeden Fall, das war zu sehen. Sie war schon in österlicher Liturgie in violett geschmückt und eine beeindruckende Dornenkrone lag vorm Altar. Die Fenster hinter dem Alter zeigten Jesus und die Gottesmutter, ihn links und sie rechts. Ich war auch noch in St. Matthews, einer viktorianischen und edwardianischen Kirche. Da war ich ganz allein. Das war ebenso beeindruckend, auch wenn diese Kirche viel schlichter ist.
Was waren denn nun die besonderen Momente, die in Erinnerung bleiben? Bei vier Wochen ist uns die Antwort auf diese Frage nicht einfach gefallen, es passiert einfach so viel. Sicherlich kann ich das hier nicht alles wiedergeben, je länger man reist, desto telegrammartiger wird der Bericht. Aber sicherlich waren Laura und Charles, das frisch verheiratete Paar aus Winnipeg, die wir auf dem Milford-Track, im Te Papa in Wellington und auf dem Tongariro-Crossing trafen, die Personen, die auch nach der Reise im Gedächtnis bleiben (und in den Email-Verteiler aufgenommen wurden). Eines meiner Highlights war die Nacht auf der Pinnacles-Hütte, dort, wo ich in einer Ecke, die von 2 Seiten von Fenstern gebildet wurde, mein Bett hatte. Da dort oben keine Lichtverschmutzung gegeben ist, waren die Sterne dort besonders eindrücklich. Erinnerlich bleibt uns beiden auch das durchgängig maximal zweilagige Toilettenpapier. Obschon man bestimmte Dinge „besser im Griff“ hat, ist das sicherlich etwas, was den deutschen verwöhnten Hintern ein wenig zumutet.
Der Epilog
Auch zurück war ist für mich ein 18 Stunden Aufenthalt in Taipeh flugplanmäßig vorgesehen. Bevor jetzt jemand denkt: „Wie furchtbar!“, ich habe mir das selbst so ausgesucht. Und 18 Stunden sind schon nicht so schlecht, um eine Stadt zu besuchen. Heute beim 2. Stempel, den ich auf Seite sieben meines Passes bekam, lief vieles zeitlich ideal. 5.20 Uhr setzte der Flieger aus Brisbane kommend auf, Punkt 7 kann man da in downtown sein. War ich auch! Und so sah ich die Taiwanesen im Park einzeln walken, gemeinsam Qi Gong oder Joga oder Meditation betreiben. Beim letzten Mal war ich dafür zu spät dran. Lustig war auch der Besuch eines Einkaufszentrums. Davon gibt es hier viele und wenn ich bis jetzt dachte, Dubai und die Emirate sind die Orte, wo das Geld locker sitzt und die Marken gut verdienen in ihren eigenen Shops: in Asien ist die Gewinnspanne bestimmt nicht geringer. Kurz vorm Öffnen aller Shops gibt es erst eine Durchsage über das Ansagesystem, wo eine Damenstimme allen im Einkaufszentrum einen schönen Tag wünscht und darauf aufmerksam macht, nun verkaufsbereit zu sein, aber viel lustiger fand ich die Minuten rund um 11 Uhr. Da standen wirklich alle Verkäufer vor ihren Shops oder in den Türen zu ihren Geschäften und lauschten einer etwa dreiminütigen Musik, die an Supermarktbeschallungshintergrundmusik erinnerte. Schlagartig mit dem letzten Ton ergriffen alle ihre Arbeit. Das war besonders. Besonders schön war auch der Elephan-Mountain, ein Teil eines nicht zu unterschätzenden Wandergebietes in der näheren Umgebung Taipehs, heute in der Kernstadt. Die Steilheit des Weges sucht vergebens etwas Vergleichbares auf der Reise aber der Blick auf die Stadt und das beeindruckend hohe Taipeh101, das höchste Hochhaus der Erde, war sehr schön. Was mir noch auffiel: digital ist Europa Mittelalter. Frühes Mittelalter. Die Taiwaner haben etwas sehr Eigenes auf die Beine gestellt. In allen öffentlichen Bereichen: Bibliotheken, Ministerien, Ubahn-Stationen etc. gibt es kostenloses W-Lan. Das kostet den Staat natürlich, aber offensichtlich rechnet sich das gegen. Auch als Ausländer kann man das nutzen. In einem dreistufigen Prozess meldet man sich an, klappt einwandfrei! Eine bessere Internetgeschwindigkeit und -abdeckung hatte ich lange nicht auf Reisen.
Neben dem Elephant-Hill hab ich es mir einfach gemacht und bin einfach einen SEHR SCHÖNEN Stadtspaziergang aus dem Reiseführer abgelaufen. Zehn Stunden war ich in der Stadt, danach bin ich zurück zum Flughafen gefahren und eins ist sicher: ich werde gut schlafen auf dem Flug nach Frankfurt. Bis zur nächsten Reise nach Griechenland.