Vergleiche auf Reisen

Mein Projekt: Patagonien. Warum ich das allein mache, hat meine Mama wissen wollen. Argentinien ist teuer und in meinem Reisefreundeskreis habe ich ewig überlegt, wer eventuell nicht jammern würde, das viele Geld ausgegeben zu haben und dann im Dauerregen oder bei Graupelschauer den W-Trek zu laufen. Und ganz allein bin ich ja nicht, ab Dienstagnachmittag werde ich Teil einer Gruppe sein. 3 Tage Buenos Aires auf eigene Faust – das schaffe ich.

In einem randvollen Flieger ging es nach Sao Paulo. Der Platz mit mehr Beinfreiheit war dem Schlaf sehr zuträglich. Allerdings saßen neben mir 3 Personen auf 2 Sitzen, ein südamerikanisches Pärchen hatte seinen Sohn – Matteo – zwischen, unter und auf sich. Matteo war so liebreizend, der wäre am liebsten auch zwischen, auf und unter mir gewesen, aber bei einem 12 h Flug, der uns bevorstand, war die Kinderzuneigung auf ein paar nette Worte und Winkspiele begrenzt, ICH WILL MEINE RUHE kam nach 2 Minuten ziemlich deutlich durch. Wir hatten ein ganz nettes Miteinander, schließlich trafen ja Kulturen aufeinander, Latinos treffen auf brummeligen Deutschen. 2 Reihen hinter mir die nächste Großfamilie, 5 Personen auf 4 Plätzen. 4 Reihe vor mir hatte jedes Kind (insgesamt 4) einen Platz, aber der Altersdurchschnitt auf diesem Flug war gefühlt unter 18. ;-) Es ging mit der Lautstärke, und ich habe selten so viel in der Economy Class geschlafen, ob es an den 3 Gläsern Sauvignon blanc lag, wer weiß. Während des Zwischenstopps meinte dann Angelika per whatsapp, wo diesmal der erste Reisebericht bliebe, das beruhte aber auf einem Missverständnis, sie hatte mich schon seit 1 Woche in Südamerika vermutet. Auf dem 2. viel kürzeren Teilstück (nur 2.5 h Flug) bestätigten sich dann schon ein paar Vorurteile über Buenos Aires. Es ist ja die Stadt mit der höchsten Dichte an Psychotherapeuten, hier blühen die Neurosen. Auf meinem Gangplatz saß ich und wartete der Dinge, die da kamen, als eine Frau auf mich zukam und mit weit aufgerissenen Augen offensichtlich mit der Sitzplatzsuche überfordert war. LATAM ist vom Service Iberia doch ähnlicher als Emirates, einen Flugbegleiter suchte sie vergebens und so starrte sie mich an und ich zeigte ihr, dass das hier 39C sei. Sie ging daraufhin zu 39J, nahm Platz, wurde von einem dicken Mann, der aussah, wie ein dicker Navajo-Indianer, verdrängt, der offensichtlich dort seinen Platz hatte (und sich später in eine Argentinische Flagge wickelte, die Klimaanlage blies in Polarstellung) und kam schließlich wieder fragend auf mich zu. Ich meinte, sie solle mir ihr Ticket zeigen: 39A. Hola, mi vecina!, meinte ich und zeigte auf dem freien Platz neben mir. Dann begann sie auf Portugiesisch Konversation, sie monologisiert offenbar gern. Ich erklärte ihr auf Englisch (verstand sie gar nicht) und Spanisch (verstand sie angeblich nicht, wobei sie mit dem Steward auf Spanisch redete???), dass wir uns gern unterhalten könnten: in Englisch, Spanisch, Deutsch aber nicht auf Portugiesisch. Zweimal fragte sie mich dann doch noch was in dieser Sprache und irgendwann redete sie laut mit sich selbst. Gott sei Dank hatte ich schon eine Meinung über sie, womöglich hätte ich wegen Terrorismusgefahr besorgt selbst eine Stewardess auf dieses Verhalten aufmerksam gemacht. Endlich in Buenos Aires gelandet, ging das Einreiseprocedere eigentlich super schnell. 50 Minuten für Passkontrolle, Koffer (kreiselte schon auf dem Band) und nochmalige Zollkontrolle. JEDER musste durch den Zoll, der grüne Kanal ist dort unbekannt. Man wird, eher willkürlich, in Schlangen eingereiht, die am Ende aber alle wieder zusammen kommen. Alle Gepäckstücke müssen durch einen Scanner, das kennt man ja aus Asien, aber die Zöllner sind sehr lustlos. Jeder nahm etwas verunsichert sein Hab und Gut, verlies dann den Zollbereich und wunderte sich.

Das Taxi in die Stadt hatte ich vorgebucht, das lief super! Der Taxifahrer war, soll in Argentinien generell so sein, ein verkannter Formel-1-Pilot. Übermüdet und hinten sitzend war eigentlich der Teil der Reise die größere Herausforderung für den Magen als die Turbulenzen über dem Atlantik. Obwohl der Verkehr viel gesitteter ist als in Indien, hupte der Fahrer insgesamt länger als auf der ersten Indienfahrt. Dreimal mussten wir Maut bezahlen, einmal war das Mauthäuschen nicht besetzt und Tatsache, der Kerl blieb 1 Minuten ununterbrochen auf der Hupe, bis ein Mautmensch gemächlichen Schrittes auftauchte.

Mein Hotel liegt an der breitesten Straße der Welt, die ich auch schon ein paarmal überquert habe, beim 4. Mal habe ich es in einem Rutsch geschafft, sonst muss man auf Fußgängerinseln verharren. Insgesamt 16 Autospuren trennen beide Seiten, in der Mitte ist auch noch eine doppelte Busspur. Aber Breite auf den Straßen gibt es hier allenthalben. Es ist Platz, die Stadt ist sehr grün und es herrscht eine unglaubliche Luftfeuchtigkeit. Auf dem ersten Stadtrundgang habe ich mich gefragt, woran mich Argentinien erinnert: eigentlich kann man es nicht vergleichen: Genauso wie Nordamerika kein Abklatsch Europas ist, ist Argentinien keine Kopie von Südeuropa. Landschaftlich erinnerte ich mich beim Landeanflug an Texas, von der Stimmung ist es südländisch, vom Flair finde ich hier mehr aus Havanna oder Athen, besonders was den Zustand der Fußwege angeht, wieder, als ich vermutet hätte. Die Metropole war am Sonntag ziemlich verwaist, zumindest das Zentrum, in dem ich mich bewegt habe. Findet man überall auf der Welt Döner und Thai-Läden, sind es hier Speisen aus Honduras, Peru und Guatemala, mit denen geworben wird. Ein Sandwich mit Honduras-Füllung, das gar nicht schlecht schmeckte und an Guacamole – auf jeden Fall war Avocado drin – erinnerte, gönnte ich mir auf einem Flohmarkt. Ich bin ja absolut kein Flohmarkt-Fan, aber auch der hier war sehenswert, einfach, weil er anders war. Wenn ich mehr Südamerika bereits bereist hätte, würden mir die ganzen Touristenandenken sicherlich auch über sein, aber fürs erste Mal ist es wohltuend anders.

Im Zentrum ist Buenos Aires ziemlich morbid. Also mehr, als ich vermutete. Havanna kam mir immer wieder in den Sinn. Auf der Plaza de Mayo wird demonstriert, kleine Camps sind dort offensichtlich stationär aufgebaut. Man kämpft bspw. auf großen Plakaten für die straffreie Abtreibung. Um 2 Ecken herum findet man dann wirklich süße Plätze, ganz so, wie ich mir die Stadt aus den Reiseberichten vorgestellt habe.

 

Ach ja, was eine wirklich Herausforderung war, war an Bargeld zu kommen. Im Flughafen fand ich keinen Geldautomaten, das Taxi konnte man auch in Euro bezahlen, sodass die erste Aufgabe darin bestand, Geld zu ziehen. Es war quasi ein Kochi-Desaster. 5 Banken versagten mir an Geld zu kommen, ich wolle schon die Notkontaktperson anweisen, einen Western Union Transfer einzufädeln, da klappte es in Bank 6. Wer jetzt alles meine Kreditkartendaten hat… . Na, ich bin da ja schmerzlos. Aber cool war es, als ich mit einem sehr zufriedenen Gesicht aus der Bank kam und eine Gruppe von Amerikanern auf mich zukam und fragte, ob die Automaten hier funktionierten. Ich bejahte und wollte schon fragen, ob sie das gleiche Problem hatten. Doch der mich Fragende meinte zu seiner Gruppe, nun würde alles gut und über mich: „That’s a man!“. Diesen Eindruck wollte ich nicht kaputt machen und ging meiner Wege … . Morgen fahre ich Rad in Buenos Aires.

Radfahren in Buenos Aires

Das kann man mal machen. Es ist nicht unsicherer als in europäischen Metropolen. Der Zustand der Gehwege ist überall in der Stadt sehr speziell, was Fußgänger dazu führt, entweder gleich auf der Straße zu gehen oder auf den tatsächlich vorhandenen Radwegen zu gehen. Jetzt im Januar ist die Stadt leer, die Argentinier sind in den Ferien, die hier 2 Monate im Sommer dauern, von Mitte Dezember bis Mitte Februar. Ausgestattet mit einem 3-Gang-Beach-Cruiser ging es in kleiner Schar, außer mir waren noch 2 Amerikaner unterwegs, zu den Highlights im südlichen Buenos Aires. Neben San Telmo hab ich La Boca gesehen. Das ist der wohl touristischste Ort. Busse mit v.a. betagten Touristen kamen auf einem Hauptplatz angefahren, spuckten diese Touristen aus und alles mischte sich in einem Block, der wirklich so kunterbunt ist, wie man auf den Fotos immer sieht. La Boca ist immer noch arm, aber es ist kein Slum. In einem Park am berühmten Stadium der Boca Juniors mit dem klangvollen Namen La Bombonera meinte Santiago, unser Guide und waschechter Porteno, hier ist es ab 6 Uhr abends nicht mehr ganz sicher. Kartelle oder echte Kriminalität halten sich aber auch nicht, weil der Park eben genutzt wird. Es gibt öffentliche Duschen, so dass auch Menschen, die auf der Straße leben, die Möglichkeit haben, diese zu nutzen und so trotz einfachster Lebensumstände nicht verwahrlost zu wirken. La Bombonera kommt einem irgendwie unfertig vor. Guckt man von oben drauf, hat es die Form eines D. Es ist also kein Oval, wie man es sonst von Stadien kennt. Und da Argentinier ebenso hüpfen, wie Deutsche, hat das Stadium bei aufgebrachten Fanbewegungen einiges auszuhalten. Interessanterweise ist aus dem gleichen Grund ein Magdeburger Stadium teils gesperrt worden. Hmm.

 

Zum Essen mal ein paar Worte: die ersten Tage habe ich eher mit Streetfood überlebt. Heute zum Beispiel gabs Bondiola super Sandwich. Das ist Schweineschulter in Zitronensaft mariniert, auf den Grill gepackt mit Schinken, Käse und Spiegelei drauf. Dazu kann man sich jede Menge Salat selbst nehmen und eine noch größere Auswahl an Saucen ist vorhanden. Ich entschied mich für eine Parmesan-Majonäse und das hier obligatorische Chimichurri, eine Öltunke mit Oregano, Knoblauch, Petersilie und Thymian. Dieses Sandwich ist so typisch für Argentinien und es ist so was von sättigend und eine Kalorienbombe. Aber die Argentinier frühstücken nicht, haben 2 Hauptmahlzeiten und halten sich zwischendurch mit Mate-Tee hin. Der wird reihum aus einem Pott getrunken. In diesen Pott tut man reichlich Matekraut, gießt dann Wasser auf und trinkt aus einem Löffelstrohhalm das leicht bittere Gesöff. Es wirkt diuretisch und diätetisch, wegen zweiterem hätte ich durchaus noch etwas mehr getrunken, wegen ersterem ließ  ich es besser bleiben, die Toilettendichte ist hier in der Stadt überschaubar hoch. Empanadas, die gefüllten Teigtaschen hatte ich auch schon, die gibt’s an jeder Ecke. Mit Roquefort fand ich sie großartig und dann hatte ich noch eine Füllung mit Huhn, das sehr interessant angemacht war. Das werde ich nochmal nehmen und erfragen, was da alles reingetan wird, um so viel Wohlgeschmack zu entwickeln.

Kein guter Tag für Fotos

So, heute war ziemlich ereignisreich. Erstmal ist das Glück manchmal mit den Dummen. Die subte-card, eine sehr abgespeckte Variante der Oyster-Card Londons, also einer Karte, mit der man U-Bahnen nutzen kann, kostete unglaubliche 25 Pesos. Das sind keine 2€. Dafür bin ich zweimal quer durch die Stadt gefahren und habe auch noch diese Karte mitbezahlt. Die behalte ich als Andenken, sie reiht sich ein in die Oystercard aus London, die Oktopus-Card aus Hongkong und … . Durch die Zugangsschranke durch, stand ich vor den Türen eine Bahn, die ließ ich erstmal wegfahren, denn grundmisstrauisch wie ich bin, konnte ich mir nicht vorstellen, dass das mein Zug ist. Wäre er gewesen, ich nahm den nächsten, die fahren hier im 4-Minutentakt. Ein bisschen ist das hier wie Ubahn-fahren in London, leider auch nicht klimatisiert und bei 34°C Außentemperatur wenig angenehm. Die heutige Radtour ging durch den Süden dieser flächenmäßig riesigen Stadt. Ein wenig erinnerte ich mich heute an Madrid, aber nur wegen des vielen Grüns, spanische Prunkbauten fehlen Argentinien völlig. Und ich muss auch feststellen, dass mein Spanisch Kastilisch ist, dauernd werde ich angegrinst. Vale! – Ok! z.B. sagt hier kein Mensch, ich aber dauernd. Gott sei Dank hab ich „cojer“ noch nicht verwendet. In ganz Lateinamerika, aber besonders im Süden des Kontinents, ist das das f*** Wort. Mein peruanischer Guide, der in Buenos Aires studiert und ein minimal schlechteres Englisch sprach als der Porteno gestern und auf den Namen Pepe hörte, war entzückt, dass ich diese Feinheit kannte. ;-) Damit ist Pepe der zweitbeste Guide, was die Sprachkenntnisse angeht, den ich je hatte. Auf gleicher Stufe mit unserem Ersatzguide in Angkor, den Doreen damals „aufgetrieben“ hat. Zusammen mit Martin (aus Köln, der für eine große Schweizer Pharmafirma arbeitet – ich schwieg! ;-)) und seiner Niederländischen Freundin machten wir also zu viert den Süden der Stadt unsicher. Ich hätte im Leben nicht mit einem so guten Netz an Radwegen gerechnet. Und trotz des chaotischen Verkehrs ist es sehr sicher. Zur Freude meiner Kollegen, die mich auch in Magdeburg zum Fahrradhelm bewegen würden, trug ich hier einen. Zig Parks, davon einer mit der größten Rosenansammlung, die ich je gesehen habe. Und das Europa-Rosarium in Sangerhausen ist nicht so schlecht aufgestellt, galt es zu erkunden. Dann den Recoleta-Friedhof, zuvor gabs die ganze Evita-Story. Sagen wir so: die besten Parts sind eigentlich die, nachdem die Frau gestorben ist. Die ist 3x beerdigt worden, zuvor einbalsamiert á la Lenin, ist zweimal tot über den Atlantik transportiert worden, zuerst fehlte ihr ein Finger, auf dem Rückweg war sie übel zugerichtet, wir reden von der Leiche! Es lohnt sich, die Story bei wikipedia nachzulesen.

Zu essen gab es heute Empanadas. Klingt unspektakulär, hatte ich auch schon häufiger, aber die waren schon ziemlich sehr gut. Die mit Schinken aus dem Norden, Käse und gebrannten Zucker waren göttlich. Nebenher hat mir Pepe von Choquequirao, der Schwester Machu Picchus erzählt, die man nur durch ein 5tägiges Trekking inkl. Campen (Corinna! ;-)) erreichen kann. Martin und seine Freundin, die ihre Südamerika-Reise in Peru begannen hörten zu, Martins Augen waren beim Stichwort „Camping“ ziemlich eindeutig. Lustig! ;-)

Die beiden sind dann über Chile nach Patagonien gereist, haben wunderbare Bilder aus der Atacamawüste mitgebracht, aber bis Feuerland haben sie es nicht geschafft. Mate haben wir auch getrunken. Heute auf paraguayische Art, kalt aufgegossen mit Zitronenlimo. Das Ganze nennt sich Tereré und man(n) muss genauso viel davon pinkeln. Ob Dekokt oder Infus, Coffein besitzt das Kraut reichlich und es wir in beiden Zubereitungen ausgezogen. Die Toilettendichte war aber hoch und gut und es ist so schwül hier, hab ich glaub ich aber schon gestern geschrieben. Ganz viel Geschichte gabs auch wieder. 5 Präsidenten in 1 Woche hatte dieses Land, das war mir gar nicht so gewahr. Und es ist noch nicht mal lang her. Alles in allem war es wirklich sehr nett, mit lokalen Guides unterwegs zu sein, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen, auch wenn ich feststelle, dass Mitte 30, bald Ende, nicht mehr 20+ ist. Mal schauen, wie lang ich diese Touren noch mitmachen kann, bevor man mich Opa nennt. Auf dem Rad hab ich mich die insgesamt 40 km (gestern und heute) super geschlagen.

 

Einzig mit den Fotos hatte ich heute wenig Freude. Das Licht war nicht gut, die Bildausschnitte wollten auch nicht so richtig spannend daher kommen und eingefangen werden. Irgendwann entschied ich, 2 Fotos mit der Käsetüte zu machen und den Rest sein zu lassen. Hab ich mal gelesen, dass der Blick wieder kommt. Vielleicht morgen, dann wird’s hart: ich muss 1.30 Uhr in der Nacht aufstehen, wenn kein Wunder passiert, der allererste Flieger nach Ushuaia ist meiner. Und den Rest der Gruppe lerne ich heute auch noch kennen. Ach, Stress im Urlaub. …