Berggiganten Patagoniens
Das ist der Titel, mit dem diese Reise umworben wird. Unser Glück mit dem Wetter in dieser launischen Umgebung muss ich als erstes erwähnen. Die Landung in El Calafate zeigte uns, was patagonischer Wind so alles kann. Es war eine der unruhigsten in den letzten Jahren. Im Hauptferienort der Provinz Santa Cruz angekommen, gab es am ersten Nachmittag eine Vogellagune im türkisblauen Lago Argentino, der von Gletschereis gespeist wird und deshalb diese unbeschreibliche Farbe hat, zu besichtigen. Dazu brauch ich nichts weiter zu schreiben, der Erlebniswert war der Bootsfahrt in Cienfuegos aus Kuba höchstens!!! ebenbürtig. Mir sind die Füße auf dem Rundgang von 3 km allerdings nicht ganz eingeschlafen, auch, weil es dort eine recht aggressive Bussard- oder Falkenart gibt, gleich am Eingang wurde ich gewarnt, dass diese die Menschen ab und an angreifen. Ich bin ohne Blessuren durch gekommen aber sie kamen mir schon extrem nah. An Tag 2 in El Calafate ging es zu einem Highlight der Reise: wir waren am Perito Moreno Gletscher. Keiner anderen Gletscherzunge kommt man dermaßen nah auf der Welt. Das Farbspiel in allen Blautönen habe ich versucht auf Foto festzuhalten, es kann nur bedingt gelingen. Mindestens genauso eindrücklich ist das Kalben des Gletschers. Viele kleine und ein wirklich großes Stück der Gletscherfront brachen mit viel Krach ab und stürzten mit Getöse in den türkisblauen und eiskalten Lago Argentino. Der Gletscher teilt diesen See in 2 Teile. Die Gletscherzunge nähert sich dazu einer Halbinsel, auf der auch die Rundwege für die Besucher verlaufen und trennt so beide Seeteile. Der kleinere Teil steigt um bis zu 25 m im Laufe vieler Monate an. Irgendwann wird der Wasserdruck immer größer und der Gletscher vor der Halbinsel zu einer Brücke ausgehölt. Die wiederum stürzt wieder irgendwann ein. Zuletzt ist das im letzten Frühjahr (Nordhalbkugel) passiert. Nachdem wir 3 Stunden ausgiebig zu Fuß alle Positionen auf allen Höhen der Gletscherwand erwandert hatten, gab es eine Bootsfahrt von einer Stunde, die an der Gletscherwand entlang ging. Das war alles sehr atemberaubend aber tatsächlich mit dem, was wir in den nächsten Tagen in El Chalten gesehen haben, nicht zu vergleichen. Fangen wir mal chronologisch an:
Los ging es mit einem ziemlich miesen Tag, was das Wetter betraf. Durch die argentinische Steppe ging es an den türkisblauesten Seen vorbei in Richtung El Chalten. Das ist ein Bergdorf in den argentinischen Bergen, das erst seit wenigen Jahren überhaupt besteht und nur als Versorgungsposten für die Paradeberge Fitz Roy und Cerro Torre dient. Beide erreicht man auch als Normalwanderer nicht ohne Schweiß, mindestens 10 km bis zu den Aussichtspunkten an den Füßen der Berge muss man sich „quälen“. Hin und retour sind das also 20 km strammer Marsch, nicht ganz ohne aber auch nicht die ganz große Herausforderung. Von all dem haben wir bei Ankunft in El Chalten überhaupt nichts ahnen können, die Berge waren von Wolken verdeckt und es war absolut nichts zu sehen. Das änderte sich ziemlich plötzlich, als wir in Richtung eines Aussichtspunkts aufbrachen. 45 Minuten Aufstieg und wir hatten freie Sicht auf den Fitz Roy. Wahnsinn. Als dann etwas später auch noch der Cerro Torre auftauchte, war unser Glück perfekt. 1000 Fotos entstanden.
Das Wetterglück hielt am darauffolgenden Tag an. Wir wanderten zur Laguna de los Tres. Insgesamt 20 km, 900 m rauf und runter. Es hat sich total gelohnt. Die Bilder, die ich bei Kaiserwetter schießen konnte, sprechen, glaube ich, für sich. Wie schnell sich das Wetterglück in der regenreichsten und windreichsten Region dieser Welt drehen kann, haben wir am nächsten Tag erlebt. An sich war das Wetter nicht schlecht, aber vom Cerro Torre, der unser Ziel war, war nichts außer sein Sockel zu sehen. Auch die Laguna, die wir bei Nieselregen erreichten, hat uns nicht umgehauen, dabei hat sie mindestens das gleiche Potenzial wir die Laguna de los Tres am Vortag, allein das Wetter spielte nicht mit. 20km Wanderung v.a. durch Südbuchenwald an einem Fluss entlang mit Blick auf einen eher Flachen Granitfelsen ist eben was anderes als einen der Könige der Berge bei bestem Wetter zu sehen. Dafür war der lokale Guide – Roberto – eine Glücksfall. Ich ging eigentlich immer vorn und man konnte sich super mit dem jungen Kerl – Jahrgang 89 (Gott, bin ich alt!) – unterhalten. Ein Punkt geht mir nicht wirklich aus dem Kopf: Roberto ist der Meinung, dass Deutsche und Österreicher zu tolerant sind. Darüber hab ich einen ganzen Tag nachgedacht. Hat er Recht? Sind wir zu kritiklos geworden? Ist es wirklich kein Problem, wenn israelische Jugendliche bzw. junge Erwachsene überall auf der Welt wegen ihres Benehmens nicht gemochte werden? Im Nationalpark Torres del Paine hat eine junge Israelin den größten Waldbrand der letzten Dekade entfacht, weil sie Klopapier verbrannt hat. Ist es ok, dass Asylsuchende sich nicht unseren Wertevorstellungen anpassen, sie sich nicht zu eigen machen? Ist es vielleicht nur folgerichtig, dass die Gesellschaft nach rechts ruckt? Ich hatte keine Antworten auf diese Fragen und werde während des Trekkings darüber nachdenken. Die Sicht von Außenstehenden tut ja manchmal gut, um über die eigene Anschauung nachzudenken. Roberto fliegt im März für eine halbes Jahr nach Europa, freut sich drauf und will in den französischen Alpen als Argentinier klettern. Er hat keine Angst vorm immer nationaler denkenden Frankreich.
Morgen geht der Bus zur chilenischen Grenze. Dort darf man keine frischen Lebensmittel mit ins Land bringen, wie sich das praktisch auswirkt, werde ich berichten. Und dann liegen 5 Tage Torres del Paine Nationalpark vor uns. Da bin ich mal gespannt drauf. Trotz Leichtpackweise habe ich 8 kg auf dem Rücken. Hmm. Schauen wir mal.